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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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umarmen, ein Kormoran, der seine Flügel ausbreitet, um sie in der Wärme trocknen zu lassen. »Seht nur, was für einen wunderbaren Tag der Herr dafür ausgesucht hat! Er hat mir sogar einen Bischof für meine Beichte gesandt.« Er lächelte zu ihr hinab. »Bleibt hier, mein Kind, während ich die anderen hole!«
    Er schritt davon, Richtung Küche, blieb dann stehen und wandte sich um.
    »Ich habe ihn getötet«, sagte er.
     
    Wenn Adelia sich später an die Fahrt nach Lazarus Island erinnerte, machten ihr unweigerlich deren Widersprüche zu schaffen. Die Fahrt hätte im Dunkeln stattfinden sollen oder zumindest einen Schatten werfen müssen, der alles verkümmern ließ, an dem sie vorbeikamen. Stattdessen stakte Godwyn geschickt den Kahn mit Sigward, Adelia, Rowley und Hilda an Bord, während die Sonne auf sie schien, als machten sie einen vergnüglichen Ausflug.
    Einmal unterbrach der Abt sogar seine Beichte und nahm ein Tuch von einem Korb, den Bruder Titus für ihn gefüllt hatte, ehe sie losgefahren waren. Zum Vorschein kamen ein Krug Met und Kekse aus Hafermehl und Honig. Der Abt reichte sie herum. »Esst, trinkt!«, ermunterte er die anderen.
    Er war überschwänglich. Er saß dem Bischof von St. Albans gegenüber auf der mittleren Ruderbank des Kahns und gestand ihm seine Sünde beinahe freudig, manchmal auf Latein, manchmal auf Englisch, als fürchtete er, dass Adelia, seine Nemesis, die hinter Rowley im Heck saß, ihn nicht verstehen würde.
    Hilda – Sigward hatte darauf bestanden, dass sie mitkam – kauerte nun ruhig auf dem Boden des Kahns, den Kopf auf seinem Knie wie ein erschöpfter Hund.
    Seine Erzählung – denn es war ebenso sehr eine Erzählung wie eine Beichte – handelte von Spaltungen. Von einem jungen Mann, der in zwei Teile gehackt wurde. Von einem Erdbeben, das nicht nur Abgründe im Boden geöffnet, sondern auch jenen Sigward, der Herr großer Besitztümer war, von dem Sigward getrennt hatte, der ein einfacher Mönch in der Abtei von Glastonbury werden sollte und schließlich ihr Abt.
    Er sprach von ihnen als von zwei unterschiedlichen Personen. »Lord Sigward war ein selbstgerechter Mann«, sagte er. »Er gab Almosen an die Armen, er ließ Kirchen und Kapellen erbauen, um Gott an seine Tugend zu erinnern. Er herrschte gerecht über sein kleines Königreich mit der Bibel in der Hand und in dem Bewusstsein, dass er ihre Gebote befolgte. Er sonnte sich in der Bewunderung seiner Nachbarn. Seine Diener hatten Grund, ihn zu lieben …« Gedankenverloren tätschelte der Abt Hildas Schulter. »Zumindest diejenigen, die er bei sich behielt, denn er konnte ebenso schnell bestrafen wie sich jener entledigen, die ihn nicht liebten.«
    Adelia wünschte, sie müsste ihm nicht zuhören. Sie hielt die Augen auf den Fluss gerichtet, ließ die Finger durchs Wasser gleiten und betrachtete die Spur, die sie zogen. Ein Moorhuhn scheuchte seine Küken weg von der kleinen Welle.
    »Lord Sigward wählte sein Eheweib sorgfältig aus, doch sie war eine Enttäuschung. Er verstand nicht, warum sie sich vor ihm fürchtete. Sie gebar ihm einen Sohn und verstarb dabei. Doch Lord Sigward hatte seinen Erben und hielt ein großes Fest ab, um mit dem Sohn vor dem Adel von Somerset zu prahlen. Aber auch der Junge war eine Enttäuschung. Er war schwach wie seine Mutter. Er duckte sich, wenn sein Vater mit ihm sprach. Er versagte auf dem Turnierplatz, er war ein unfähiger Jäger. Wie irgendein Schreiberling zog er Bücher vor, anstatt sich in mannhaften Dingen zu üben.«
    Adelia warf einen Blick auf Rowleys starren Rücken. Er hatte das Gesicht von seinem Gegenüber abgewandt, wie er es in der Stille eines Beichtstuhls getan hätte. Es hatte vor ihrem Aufbruch keinen geeigneten Moment gegeben, um ihn zu warnen. Als der Abt sich bekreuzigt und die Formel gesprochen hatte: »Hört mich an, Vater, und segnet mich, denn ich habe gesündigt« – hatte sie gesehen, dass ihr Geliebter sich widerwillig wegdrehte.
    Es war ihm schon immer zuwider gewesen, die Beichte abzunehmen. »Wer bin ich denn, über Sünden zu urteilen?« Wie schon Thomas à Becket vor ihm war er von seinem König ernannt worden, nicht von der Kirche, und er war buchstäblich über Nacht zum Priester gemacht worden – an einem Tag geweiht, am nächsten auf den Bischofsstuhl gesetzt.
    Der Kahn beschleunigte und verlangsamte sich, während Godwyn die Stakstange mühelos ins Flussbett stieß und wieder anhob, das Gesicht ausdruckslos. Die Worte, die

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