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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Jägers sämtliche Muskeln, die ein Reh rennen ließen, die Knochen der Grabschaufeln eines Maulwurfs – ein Tier, dem im Sumpfland gnadenlos Fallen gestellt wurden, weil seine unterirdischen Gänge die vor Hochwasser schützenden Deiche schwächten.
    Zu Beginn der Reise war Allie von ihrem zweijährigen Spielkameraden entzückt gewesen. Aber da sie die Pferde und Maultiere im Tross so liebte, bemühte sie sich um die ungeteilte Aufmerksamkeit der Reitknechte – ein Menschenschlag, mit dem sie sich immer gut verstand. Doch die Reitknechte standen in Emmas Diensten und infolgedessen auch in denen des kleinen Pippy, der unweigerlich bevorzugt wurde, wenn an der Spitze der Reisegruppe ein Platz im Sattel frei war. Außerdem wurde der kleine Lord Wolvercote nicht nur von seiner Mutter und den Dienern verhätschelt, sondern auch noch von Gyltha und Adelia, und allmählich zeigte sich Allies Eifersucht in gehässigen Blicken und in Schlägen und Stößen, mit denen sie den kleinen Jungen immer wieder zu Boden beförderte. Das ging so weit, dass die Erwachsenen keinen Moment mehr wegschauen konnten, ohne dass Pip postwendend losplärrte, weil Allie ihn schon wieder malträtiert hatte.
    Entsetzt hielt Gyltha ihr Standpauken – vergeblich.
    »Mag ihn nicht«, sagte Allie als Begründung dafür, dass sie einen Zweig abgerissen und ihn als Rute benutzt hatte, um Lord Wolvercote damit den Hintern zu versohlen.
    »Sie ist ’ne verzogene kleine Madam«, sagte Gyltha zu Adelia, nachdem sie Allie die Rute abgenommen und dem Kind damit im Gegenzug eins aufs Hinterteil gegeben hatte. »Sie will sich nich entschuldigen. Du musst was unternehmen!«
    Insgeheim bewunderte Adelia den Dickschädel ihrer Tochter, die sich auch durch Schelte und Schläge nicht unterkriegen ließ, aber Gyltha hatte recht – so konnte es nicht weitergehen. Adelia probierte es mit einem Trick; sie bastelte eine Puppe aus Stöckchen und Verbänden, der sie eine hässliche Fratze aufmalte und den Namen Knuff gab. Sie schenkte sie ihrer Tochter. »Mit so einem Benehmen machst du dir keine Freunde, Allie, deshalb schlag lieber Knuff, wenn du das nächste Mal Wut auf Pippy hast.«
    Allie betrachtete das Monstrum beifällig und klemmte es sich unter den Arm. »Ich mag Knuff«, sagte sie. »Aber Pippy ist doof.« Und sie drangsalierte ihn weiter, bis es schließlich unmöglich wurde, die beiden Kinder während einer Rast gemeinsam herumtollen zu lassen.
    Adelia war dankbar, dass Emma die Situation gelassen sah, wenngleich sie darauf achtete, dass ihr Sohn nicht mehr in Allies Reichweite kam. »Ich weiß, was das Kind empfindet. Im Kloster hab ich immer die kleine Schwester Priscilla gekniffen, wenn ich das Gefühl hatte, dass Mutter Edyve sie mir gegenüber bevorzugte.«
    Aber auch sie selbst benahm sich schlecht. Adelia war unbegreiflich, warum Emma einerseits so viel Verständnis für Allie hatte, aber andererseits offensichtlich verärgert auf die Pflege von Master Roetger reagierte, für den sie anscheinend keinerlei Mitleid empfand. »Muss er denn wirklich so verhätschelt werden?«, fragte sie beispielsweise, wenn Gyltha und Adelia den Patienten versorgten. Sie schnalzte gereizt mit der Zunge, wenn die Reitknechte Roetger zwischen die Bäume tragen mussten, damit er seine Notdurft verrichten konnte, und wenn sie für ihn in jedem Gasthaus, in dem sie die Nacht verbrachten, im Erdgeschoss aufwendige Vorbereitungen trafen, weil Adelia nicht wollte, dass er eine Treppe hinaufgetragen wurde, da sie fürchtete, der Fuß könne gegen ein Hindernis stoßen.
    Es war, als wären die Bedürfnisse von Emmas Kämpen ihr selbst ebenso peinlich wie ihm.
    Der wahre Grund dafür wurde Adelia erst nach ihrer Ankunft in Marlborough klar, als sie und Emma die Kinder in einem der edelsten Gasthäuser ihrer bisherigen Reise zu Bett gebracht hatten und der milde Abend sie beide anschließend in den angrenzenden Rosengarten lockte, wo sie einen seltenen Moment der Ungestörtheit miteinander verbrachten.
    Während sie spazieren gingen, drang Emmas Stimme durch die duftende Dämmerung ans Ohr ihrer Gefährtin. »Hättest du gern noch mehr Kinder, Delia?«
    »Ja, sehr gern. Aber das ist nun wohl ziemlich unwahrscheinlich.«
    »Du könntest heiraten.«
    »Nein.« Sie hatte sich gegen eine Ehe mit Rowley entschieden, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren, und die würde sie nicht aufgeben. Sie sagte leichthin: »Schließlich wird jeder ehrbare Mann in mir bloß verdorbene Ware

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