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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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zur Ehe zwang, doch seine erste Gattin war verstorben, ohne ihm Kinder zu gebären.
    Oje, würde diese Frau nun auch Emmas Anspruch auf das Herrenhaus anfechten? Gott verhüte einen weiteren Gerichtskampf!
    »Ich meine Emma, Lady Wolvercote«, beharrte Adelia.
    »Ich kenne niemanden dieses Namens.«
    Adelia versuchte, nachsichtig zu sein. Immerhin trug die Frau noch immer Trauerkleidung wegen ihres Sohnes, wenngleich am
     Hals und am Rocksaum ihres schwarzseidenen Bliauts ein scharlachrotes Untergewand hervorlugte wie das Rot der Wolvercote-Kriegsfahnen.
    »Sie hat Euch einen Brief geschickt … einen liebenswürdigen Brief, ich hab ihn gesehen … aus Aylesbury. Um ihr Kommen anzukündigen.«
    Lady Wolvercote neigte den Kopf. »Vor einer Weile erhielt ich einen Brief von einer Kreatur, die behauptete, die Gattin meines Sohnes gewesen zu sein – gewiss irgendeine Hure, die Geld herausschlagen wollte.«
    »Nein«, sagte Adelia ruhig, »keineswegs. Sie wollte Euch Euren Enkelsohn vorstellen.«
    »Das hätte sie sich sparen können. Ich dulde keine Bastarde in diesem Haus.«
    Die Frau sprach die Worte »Hure« und »Bastard« ohne Emotion aus, als stelle sie lediglich Tatsachen fest. Nicht ein einziges Mal änderte sich ihre Mimik, kein Stirnrunzeln verzog die zarte Haut ihres blassen Gesichts, und ihre juwelengeschmückten gefalteten Hände blieben reglos; ihre Stimme klang ruhig, als gäbe sie einer Dienerin alltägliche Anweisungen. Es war wie eine Unterhaltung mit einer sprechenden Statue. Als sie den Kopf wandte und zu Allie hinübersah, die gerade wieder auf die Bank kletterte, eilte Gyltha schützend zu dem Mädchen, als fürchtete sie, der Blick würde es zu Stein verwandeln.
    »Wollt Ihr damit sagen, Ihr habt sie nicht empfangen?«, fragte Adelia.
    »Habe ich mich nicht klar ausgedrückt?«, erwiderte Lady Wolvercote. »Zwischen mir und diesem Weib, von dem Ihr sprecht, ist es nie zu einer Begegnung gekommen.«
    »Sie war nicht hier? Sie ist nie hier eingetroffen?«
    »Wie ich bereits sagte.«
    »Aber wo ist sie dann?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Lady Wolvercote. »Und es kümmert mich auch nicht.« Sie ging zum Tisch und läutete eine kleine Messingglocke, die dort stand.
    Sogleich trat der Kämmerer ein. »Mylady?«
    »Bring diese Leute in die Küche, John. Sorge dafür, dass sie die übliche Verpflegung erhalten, ehe sie wieder gehen. Schaff auch Essen und Ale zu den Kreaturen am Tor, aber lass sie nicht herein – ich dulde das Gesindel des Plantagenet nicht in diesem Haus.«
    Sie wandte sich zum Gehen.
    Das war bestürzend. »Aber … aber sie muss doch hier gewesen sein«, sagte Adelia fast verzweifelt. »Sie war auf dem Weg hierher. Wo ist sie?«
    Die einzige Antwort war das forsche Klacken von Lady Wolvercotes Schuhen auf den Stufen der Treppe, die sie wieder hinaufging.
    Als sich die Tür des Sonnenzimmers leise hinter der Hausherrin geschlossen hatte, trat der Kämmerer vor. »Wenn Ihr bitte hier entlangkommen würdet …«
    »In die Küche?«, schnauzte Gyltha ihn an, als wäre so ein Ort unter ihrer Würde. »Wir gehen nicht in so ’ne Scheißküche. Schieb sie dir von mir aus in …«
    Adelia hob eine Hand, um die sich anbahnende Tirade zu bremsen; trotz ihrer tiefen Beunruhigung versuchte sie, einen klaren Kopf zu behalten. »Wir wären dankbar für einen Abendimbiss, ehe wir gehen«, erklärte sie dem Kämmerer sanft, »und unsere Männer ebenso.«
    Während sie dem Kämmerer folgten, warf Gyltha ihr einen Blick zu, der es mit dem dieser Gorgo aufnehmen konnte, die sie soeben verlassen hatte. »Das lässt du dir gefallen?«
    »Ja. Vielleicht erfahren wir irgendwas.« Die Diener wussten wahrscheinlich, was geschehen war. Falls Emma abgewiesen worden war, hätte sie sich niemals sang- und klanglos verabschiedet. Irgendwer musste den Streit gehört haben – bei der Begegnung zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter waren zwei ebenbürtige Widersacherinnen aufeinandergetroffen, nur dass die marmorgesichtige Kämpferin dort oben im Vorteil war, weil sie im Haus das Sagen hatte.
    Während sie durch die Bedienstetentür der Halle nach draußen und über einen Hof geführt wurden, fragte Adelia Mansur leise auf Arabisch: »Was meinst du, was passiert ist?«
    »Die Frau ist ein kaltherziges Weib, aber warum sollte sie lügen?«
    Das war ja gerade so beunruhigend. Falls Lady Wolvercote Emma tatsächlich aus dem Haus geworfen hatte, dann hätte sie, so vermutete Adelia, keinerlei

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