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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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hier missachtet worden. Und zwar schon seit Jahren, denn der Reiterzug ritt teilweise regelrechte Alleen entlang, in denen sich die Äste über ihnen berührten und den Mond verbargen.
    Fackeln und Laternen wurden entzündet, Schwerter gezückt, Stille befohlen, die Pferde zu Schritttempo gezügelt – Wegelagerer spannten nämlich gern Draht quer über die Straße, um trabende Pferde zu Fall zu bringen. Gyltha und Adelia mit der im Korb schlafenden Allie wurden von ihren Geleitsoldaten umringt – und waren froh darüber. Rhys lenkte sein Pferd zwischen die ihren; die einzige Waffe, die er besaß, war seine Harfe.
    Michael der Trompeter murmelte: »Das hier ist das gefährlichste Stück Straße in England, hab ich gehört.«
    »Warum?«, fragte Adelia im Flüsterton.
    »Wolf. Ein Vogelfreier. Die Leute nennen ihn Wolf, weil er ein Tier ist, obwohl er auf zwei Beinen geht, und weil er ein Rudel bei sich hat. Sie sagen …«
    Aber Hauptmann Bolt gebot ihnen zu schweigen. Er lauschte auf das hundertfache Rascheln, das zwischen den Stämmen hervordrang, die sich im Fackelschein gespenstisch ausnahmen. Sein Schwert zuckte immer wieder in Richtung der grün leuchtenden Tieraugen, die aus dem Unterholz hervorspähten.
    Einmal hörte Adelia ein Husten irgendwo zwischen den Bäumen, obwohl sie nicht hätte sagen können, ob es aus einer menschlichen Kehle kam.
    Wolf.
    Weil sie müde war und Angst hatte, wurde sie wütend. Bolt hätte sie zurück nach Wells führen und dort übernachten lassen sollen, dann hätten sie diesen Ritt bei Tageslicht machen können. Der verfluchte Kerl hatte jede zusätzliche Verzögerung verweigert. Immer getrieben von dem Wunsch, zu seinem verdammten König zurückzugaloppieren, verfluchter Kerl.
    Und auch dieses Weibsstück da hinten in Wolvercote Manor sollte verdammt sein. Hatte sie Emma und den kleinen Pippy in so eine gefährliche Nacht hinausgeschickt? Sie hatte gesagt, nein. Mansur glaubte nicht, dass sie das getan hatte. Aber in diesem schönen Haus und in der Küche hatte eine erstickende Stimmung geherrscht, als würde eine Wahrheit unterdrückt.
    Oh Gott, und wenn diese Hexe sie gefangen hielt? Oder noch Schlimmeres mit ihnen gemacht hatte?
    Nein, solche Gedanken waren eine Folge der Übermüdung.
    Aber irgendwas war da gewesen … Sie musste immer wieder an die Augen des Mannes, der das Brot aus dem Ofen holte, denken, als er sich umgewandt und sie angeschaut hatte. Irgendwas …
    Verdammt, wie lange dauerte es noch, bis sie Glastonbury erreichten? Es sollte nur wenige Meilen von Wells entfernt sein,
     aber noch war keine Spur von irgendeiner Ansiedlung zu sehen.
    Dass sie angekommen waren, merkten sie erst, als die Hufe ihrer Pferde plötzlich über Stein klapperten. Es gab keine Wegmarke, aber rechter Hand tat sich eine Lücke im Wald auf. Die Fackeln der Männer ließen einen steilen Hang erkennen, und weiter unten, an seinem Fuß, glänzte Mondlicht auf Wasser.
    »Das ist es«, sagte Bolt. »Muss es sein. Das da unten ist wohl der Fluss Brue – fließt ganz nah an der Abtei vorbei. Aber wo ist dann die Abtei?«
    Wahrhaftig, wo war sie? In einem der geschäftigsten und reichsten Stifte Englands, dem ein Großteil von Somerset und noch mehr gehörte, hätte auch um diese späte Stunde noch irgendwie Leben herrschen müssen, selbst wenn das Feuer große Schäden angerichtet hatte.
    Erst als sie den Hang hinabritten, erkannte Adelia das Ausmaß der Katastrophe, die den Ort getroffen hatte. Linker Hand folgten sie den Überresten der großen Klostergrenzmauer, die nur mehr eine eingestürzte Ansammlung verrußter Steine war, hinter der nichts als Stille lag.
    Ebenso bedauernswert – und von niemandem erwähnt – war, dass die Flammen die Mauer übersprungen und auch das dem Kloster benachbarte Dorf vernichtet hatten. Denn während sie weiterritten, fiel das Licht ihrer Fackeln auf kahle Sparren, wo einst die reetgedeckten Läden und Cottages der Laien gestanden hatten, die sowohl der Abtei als auch den Pilgern dienten, die gekommen waren, um vor den Heiligenschreinen zu beten.
    Hier war einmal eine belebte Hauptstraße gewesen; jetzt hing brandig beißender Aschegeruch in der Luft. Es gab keinerlei Licht außer dem Mond, kein Leben, nur Stille. Adelia hörte Captain Bolts fassungslose Stimme, während er sich bekreuzigte: »Gott erbarme sich, es ist tot. Glastonbury ist tot.«
    Am Fuße des Hanges, wo dieser auf den Fluss traf und auf einen weiten, gepflasterten Marktplatz

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