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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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verständigen, dachte sie – und die zu finden hatte sie mit auf die Liste ihrer Vorhaben gesetzt.
    Am Abend saß Rhys noch lange im Hof des Gasthauses und begann, ein neues Lied zu dichten. »Ich würde über Tau oder raue Wüste wandern, um dich zu finden, du weißes Gespenst meiner Träume …«
    »Emma ist kein Gespenst«, unterbrach ihn Adelia, die stehen geblieben war, um ihm zuzuhören, ehe sie nach oben ging.
    »Doch, genau wie Guinevere«, sagte Rhys. »Auch bei Arthurs Königin weiß keiner, was ihr widerfahren ist. Manche sagen, sie wurde wegen ihres Ehebruchs von Pferden in Stücke gerissen. Manche glauben, sie ist in den Nebeln von Avalon verschwunden. Weißes Gespenst, weiße Eule, das bedeutet der Name Guinevere nämlich. Nachtgespenst verloren in der Dunkelheit.«
    »Tja, Emma hat ganz sicher keinen Ehebruch begangen«, sagte Adelia und dachte dann, wie dumm sich das anhörte. »Kommt bloß nicht zu spät zurück! Versprecht es!«
     
    Ob es an Rhys lag, an der Angst um Emma oder an den Skeletten, jedenfalls begannen in dieser Nacht die Träume.
    Adelia träumte normalerweise nicht, sondern schlief nachts den Schlaf der Gerechten, weil sie tagsüber so beschäftigt war. Doch in dieser Nacht träumte ihr, dass sie oberhalb der Abtei von Glastonbury auf halber Höhe des Hügels Tor stand, vor einer Höhle.
    Es war nebelig. Eine Glocke hing in den Ästen eines Weißdornbaums gleich neben dem Eingang. Unwillkürlich hob sich ihre Hand zu der Glocke und berührte sie, sodass sie läutete.
    Sie hörte das Echo durch den Nebel wabern. Eine Männerstimme drang aus den Tiefen der Höhle: »Ist es Tag?«
    Selbst in ihrem Traum wusste sie aus Rhys’ Arthur-Liedern, wie ihre Antwort lauten musste: »Nein, schlaft weiter!« Denn sonst würde sie dasjenige oder denjenigen in der Höhle aufwecken. Doch obwohl sie den Mund öffnete, um zu antworten, brachte sie keinen Laut heraus. Der Nebel wirbelte und wurde dunkler; irgendjemand kam aus der Tiefe der Höhle auf sie zu.
    Mühsam stieß sie hervor: »Emma? Bist du das, Emma?«
    Doch dieselbe Stimme sagte: »Ich bin Guinevere. Helft mir! Ich bin verwundet.«
    Ein schabendes Geräusch ertönte, und Adelia wusste, dass sich nur der obere Teil des Wesens, das sich Guinevere nannte, durch den Höhlengang auf sie zuschleppte, und sie wusste auch, dass sie den Anblick nicht ertragen konnte. Sie begann, in den Nebel zurückzuweichen, weg davon, hörte aber immer noch das Stöhnen des näher gleitenden Wesens.
    Sie wachte in Schweiß gebadet auf.
    »War das ein Wahrtraum?«, fragte Gyltha am nächsten Morgen interessiert. »Wie Jakob und die Leiter?«
    »Nein, so war das nicht. Ich hatte bloß entsetzliche Angst … und Schuldgefühle. Was immer es war, es hat um Hilfe gefleht, und ich bin weggelaufen.«
    Adelia nahm Träume nicht ernst, aber sie konnte den schrecklichen Vorwurf nicht abschütteln, mit dem dieser Traum sie umhüllt hatte. Sie sah irgendetwas nicht, das sie sehen sollte; sie missachtete etwas, das ihr offenbart worden war.
    »Dann liegt’s am Käse«, sagte Gyltha mit Nachdruck. »Du solltest vor dem Schlafengehen nich so viel Käse essen – davon kriegst du Albträume.«
    »Ich hab überhaupt keinen Käse gegessen. Oh Gott, Gyltha, wir müssen Emma finden!«
    »Wir tun unser Bestes, Kindchen.«
    Es war eine Wohltat, hinaus in den Sonnenschein zu treten und zur Abtei hinüberzutrotten, um mit der Arbeit an den Knochen zu beginnen. Godwyn würde Gyltha und Allie in seinem Boot mit auf den Brue nehmen, um Torfmoos zu suchen, mit dem sie Polycarps Kruppe behandeln wollten.
    Rhys hatten sie aus dem Bett geholt und gen Wells und Wolvercote Hall losgeschickt. Er hatte es plötzlich mit der Angst zu tun bekommen. »Gefährlich, die Straße. Was, wenn Wegelagerer mich überfallen und ausrauben?«
    »Was könnten die ihm denn rauben?«, hatte Mansur wissen wollen. Der Barde hatte seit Wales dieselbe Kleidung an, obwohl Gyltha ihn wiederholt angefleht hatte, sie für ihn waschen zu dürfen. Abgesehen von seiner Harfe, die er in einem schmutzigen Beutel bei sich trug, gab es nichts an ihm, was selbst den zuversichtlichsten Dieb in Versuchung geführt hätte. Schließlich konnten ihn ein paar Pennys, die Adelia ihm mitgab, damit er sie auf dem Markt in Wells ausgab, zum Gehen bewegen.
    Hilda bestand darauf, die beiden Ermittler zur Abtei zu begleiten. Offenbar wollte sie unbedingt jedes eventuelle Gespräch der beiden mit Abt Sigward verfolgen, den sie ständig

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