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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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als »mein lieber Abt« bezeichnete.
    Adelia fragte sich, ob Godwyn eifersüchtig war. Hilda schwärmte für den Mönch wie für niemanden sonst, und ganz sicher nicht für ihren Ehemann, mit dem sie herrisch umsprang. Ihre gereizte Stimme drang häufig aus der Küche bis nach oben. Aber das störte Godwyn offenbar nicht; er schien so zärtlich an seiner Frau zu hängen wie sie an dem Abt, vielleicht, dachte Adelia, weil Hildas Verehrung weniger sexueller Natur war als vielmehr die einer Gläubigen vor einem heiligen Schrein, dessen schwache Flamme sie nährte und schützte.
    Sie gab es selbst zu. »Er ist ein Heiliger, mein lieber Abt«, sagte sie, als sie, ausgestattet mit einem weiteren Korb voller Lebensmittel für ihn, Adelia und Mansur über den leeren Markt begleitete. »Ich war früher als junges Ding seine Wirtschafterin, und keiner ahnt, wie tief die Güte dieses Mannes reicht. Gott hätte ihn uns weggenommen, wenn ich mich nicht um ihn gekümmert hätte.«
    »War das, bevor er Mönch wurde?«, fragte Adelia.
    Hilda wurde unvermittelt angriffslustig. »Warum wollt Ihr das wissen?«
    Adelia zuckte die Achseln. Es war nur eine höfliche Nachfrage gewesen.
    Nach einer Pause, als könnte sie unmöglich eine weitere Gelegenheit verstreichen lassen, seinen Ruhm zu singen, sagte die Wirtin plötzlich: »Damals war er reich. Ein Adeliger, reich wie ein König. Und ich hab das Haus für ihn geführt, jawohl, das hab ich. Seht Ihr die Insel da draußen?« Sie zeigte auf eine große Erhebung weit hinten im Marschland. »Die hat ihm gehört, jawohl, und noch viele tausend Morgen in ganz England. Hat alles verschenkt, jawohl, Gott segne ihn! Hat es Gott geschenkt und das Armutsgelübde abgelegt, weil er nun mal ein Heiliger ist.«
    Vom Saulus zum Paulus? Das sanfte Gesicht des Abtes war das eines Mannes, der durch Feuer geläutert worden war.
    »Hatte er Familie?«
    Wieder zögerte Hilda. Dann sagte sie knapp: »Einen Sohn. Ist auf einem Kreuzzug gestorben.«
    Das würde es erklären. Adelia konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als ein Kind zu verlieren. Das war ein Verlust, der einen entweder hilfesuchend zu Gott oder von ihm wegtreiben musste.
    »Eine von den Inseln ist jetzt eine Leprakolonie«, sagte Hilda und deutete wieder Richtung See. »So gütig ist der Mann. Hat für mich und Godwyn das ›Pilgrim Inn‹ gekauft und den Leprakranken Land überlassen. Lazarus Island, so nennen wir es. Godwyn rudert ihn oft hinüber, damit er ihnen die Kommunion erteilen und Verpflegung bringen kann.«
    Mansur schauderte. »Allah schütze den guten Mann!«, sagte er auf Arabisch. »Ich könnte das nicht.«
    Auch Adelia fand das löblich. Sie teilte nicht Mansurs Furcht vor den Menschen mit einer Krankheit, die, wie sie von ihren Zieheltern gelernt hatte, nicht so ansteckend war, wie der allgemeine Abscheu die Leute glauben machte, obwohl dieser langsame Tod, der von den Spitzen der Gliedmaßen aus schleichend den ganzen Körper erfasste, schon schrecklich genug war. Aber sie konnte verstehen, warum das Gesetz strikt ihre Absonderung verlangte, um die Gesunden zu schützen. In diesem einen Punkt bewunderte sie die christliche Kirche – eine Institution, mit der sie gewöhnlich auf Kriegsfuß stand –, weil sie die Leprosorien eingerichtet hatte, Zufluchtsorte, wo die Patienten ärztliche und spirituelle Hilfe erhielten, ja sogar Achtung erfuhren, denn da sie schon zu Lebzeiten für ihre Sünden büßten, würde ihnen im Himmel rasche Erlösung zuteilwerden.
    Dann war Abt Sigward also einer von denen, die großherzig mit Leprakranken umgingen. Adelia fasste immer mehr Zuneigung zu dem Mann. Zudem war er bereit, Mansur und ihr bei ihrer Ermittlung freie Hand zu lassen, was seine Ordensbrüder ihnen gewiss verwehrt hätten.
    »Ich habe das Grab, in dem wir die Skelette gefunden haben, gegen einen gewissen Widerstand meiner Mitbrüder offen gelassen«, sagte er, nachdem er sie begrüßt hatte.
    »Lasst die Toten ruhen, Father!«, warf Hilda flehentlich ein. »Das sind die Knochen von Arthur und Guinevere, das wisst Ihr. Lasst sie in Frieden ruhen!«
    Der Abt tätschelte ihr die Schulter, hielt den Blick aber auf Adelia gerichtet, die nach einer kurzen vorgetäuschten Beratung mit dem Araber sagte: »Doktor Mansur dankt Ihnen, Mylord, und er wird sich diesen Dingen zu gegebener Zeit gern widmen, doch vorläufig möchte er sich auf die Skelette konzentrieren.«
    »Und was können die ihm verraten?«
    Wieder sprach Adelia auf

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