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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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er dann in der Weltgeschichte rum? Was ist nur los, Delia? Erst Emma, dann er. Wo ist er? Hat ihn wer …? Warum ist er nicht in der Nähe geblieben, der blöde alte Mistkerl?«
    So jammerte sie weiter vor sich hin, bis Hildas Hausmittel wirkte und Gyltha überredet werden konnte, sich aufs Bett zu legen, wo sie in einen wimmernden Halbschlaf fiel.
    Adelia wachte über sie und dachte, wie widersinnig es doch war, dass Gyltha als Einzige ihr wohl geglaubt hätte, dass irgendwer den Erdhaufen absichtlich in die Grube gestoßen hatte, aber zugleich auch die Einzige war, der sie es auf keinen Fall erzählen durfte. Dass hier ein Mörder umging … nein, das durfte sie nicht erfahren, nicht ehe Mansur gefunden war. Falls er je gefunden wurde.
    Es war drückend heiß. Adelia löste ihre Hand aus der der schlafenden Frau und ging ans Fenster, um Luft zu schöpfen.
    Vor zwanzig Jahren, dachte sie. Vor zwanzig Jahren war ein Verbrechen geschehen. Vor zwanzig Jahren war es nötig gewesen, die Leichen eines Mannes und einer Frau so zu begraben, dass sie nie gefunden werden sollten. Und jetzt, da sie doch gefunden worden waren, musste derjenige, der sie begraben hatte, unbedingt verhindern, dass die Skelette identifiziert wurden und das Verbrechen ans Tageslicht kam.
    Im Jahre des Herrn 1154. Am Tag nach dem Fest des heiligen Stephanus, an dem Bedienstete nach alter Sitte ihre Herrschaften verlassen und für eine Weile zu ihren Familien zurückkehren durften.
    War das von Bedeutung? Möglicherweise. Bestimmt waren Menschen unterwegs gewesen, die normalerweise nicht aus freien Stücken reisen durften. Zudem waren Haushalte ausnahmsweise mal auf sich allein gestellt – ohne Bedienstete, die sich um alles kümmerten.
    Doch der größte Verdacht fiel natürlich auf die Angehörigen der Abtei selbst, nur hier wusste man, dass sich ein Spalt aufgetan hatte, der geeignet war, Leichen aufzunehmen.
    Wer war an jenem Tag vor Ort gewesen? Fast einhundert Mönche, die mit Ausnahme von vieren inzwischen allesamt in ganz England und Frankreich verstreut waren, um von der Not zu künden, die Glastonbury ereilt hatte.
    Nein, Abt Sigward musste ausgeschlossen werden – der hatte damals noch als Großgrundbesitzer auf seiner Insel geherrscht und wohl den Sohn betrauert, der auf einem Kreuzzug gefallen war.
    Einen Moment lang dachte Adelia an die herausragende Güte, die Sigward vom Rang eines Novizen zum Rang eines Abtes befördert hatte, über die Köpfe von Mönchen hinweg, die der Abtei schon sehr viel länger dienten.
    Die drei Übrigen waren ihrer und Mansurs Arbeit feindselig begegnet. Hatten sie dafür vielleicht noch einen anderen Grund als den, die sterblichen Überreste unbedingt als die von Arthur und Guinevere ausgeben zu wollen?
    War einer von ihnen ein Mörder? Oder gar alle drei?
    Nein, wieder falsch. Wenn sich einer von ihnen während der Terz zum Friedhof davongeschlichen hätte, wäre das dem Abt aufgefallen und er hätte es gesagt. Oder?
    Aber irgendwo da draußen war ein Mörder, der gewusst hatte, was sie und Mansur vorhatten, und sie beide ein für alle Mal daran hindern wollte. Es war ihm nicht gelungen, aber war Mansur dann doch noch sein Opfer geworden?
    Und Emma? War Emma in demselben Netz verschwunden und von derselben Spinne gefressen worden?
    Müde, von Sorgen gemartert, den Kopf voller ungelöster Fragen, den Rücken verspannt von der Anstrengung in der Grube, legte Adelia sich neben die zuckende, murmelnde Gyltha. Und döste ein. Und träumte …
    Unweigerlich war sie irgendwo unter der Erde, in einem Labyrinth, wo Hermeline mit goldenen Insignien König Arthur hochleben ließen, während er und seine Mannen zum Ausgang des Tunnels ritten. Als er sie passierte, blickte er wie immer gütig zu ihr herab. »Es gilt wieder einen Drachen zu bekämpfen«, sagte er. »Werdet Ihr mich begleiten?«
    »Ich muss nach Mansur und Emma suchen«, erwiderte sie.
    »Töricht seid Ihr, töricht«, sagte er.
    Guinevere, noch immer mit weißen Federn bekleidet, stand mit dem Rücken zu Adelia am Ausgang des Tunnels, um sich von ihrem Herrn zu verabschieden und ihm Glück zu wünschen.
    Als der Reiterzug an ihr vorbeikam, zog einer von Arthurs Rittern sein Schwert und zerteilte sie in der Mitte. Das Blut aus ihrer durchtrennten Taille füllte den Tunnel, riss Adelia mit und trug sie trotz heftiger Gegenwehr noch tiefer unter die Erde.
    Als sie erwachte, brauchte sie einen Moment, ehe ihr klar wurde, dass die Feuchtigkeit, von der

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