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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Adelia ärgerlich. Der Mann ging ihr allmählich auf die Nerven. »Ich vermute, Eustace hat ihm davon erzählt.«
    In den Augen der Männer um sie herum glomm neuer Respekt auf. »Der is richtig gut, was?«, sagte einer von ihnen.
    Zehnschaft. Ein Bestandteil des englischen Rechtssystems, mit dem die Ordnung aufrechterhalten werden sollte und das für Adelia bei ihrer Ankunft in diesem Land völlig neu gewesen war. Sinn und Zweck dieser Einrichtung war es, geltendes Recht durchzusetzen und das gemeine Volk – Klerus und Adel waren davon ausgenommen – im Zaum zu halten, indem jeder Mann über zwölf Jahre in eine solche Zehnschaft eingegliedert wurde und jeder von ihnen für jedwede Gesetzesübertretung geradestehen musste, die einer von ihnen begangen hatte.
    Angehörige von Zehnschaften mussten in regelmäßigen Abständen überall im Land vor Gericht mit einem Eid bekräftigen, dass sie jeden ihrer neun Gefährten, der eine Straftat begangen hatte, seiner gerechten Strafe zuführen würden, dass sie für das Verhalten der anderen ebenso verantwortlich waren wie für ihr eigenes und dass sie jeden Übeltäter verfolgen würden, falls er nach vollbrachter Tat die Flucht ergriff. Die Strafe wurde je nach Schwere des Vergehens festgesetzt.
    Dieses alte Gesetz wurzelte tief im angelsächsischen Brauchtum, und Adelia, die schon erlebt hatte, dass Unschuldige ihr Zuhause verloren, weil ein Mann aus ihrer Zehnschaft ein Verbrechen begangen hatte, hielt es für ungerecht. Das hatte sie auch Prior Geoffrey gesagt, doch der hatte bloß die Achseln gezuckt. »Im Großen und Ganzen ist es nutzbringend«, hatte er gesagt.
    Offensichtlich erfüllte es auch hier seinen Zweck. Die fünf Männer – neun, wenn man die vier mitzählte, die bereits im Kerker saßen – waren vor dem Gesetz für den Leichnam in der Höhle mitverantwortlich. Falls sie nicht beweisen konnten, dass er keine Schuld an der Zerstörung der größten Abtei Englands trug, war ihre Strafe nicht auszudenken.
    Dass sie zur Erreichung dieses löblichen Ziels Menschenraub begangen hatten, also eine Straftat, schien ihnen gar nicht in den Sinn gekommen zu sein.
    »Wieso haltet ihr euren Freund nicht für den Brandstifter?«, fragte sie.
    Der Bäcker schien zu denken, dass auch diese Frage von dem seligen Master Eustace geklärt werden könnte. Doch ein jüngerer Mann, der sich damit abgelenkt hatte, mit einer Hand unter der Tunika nervös seine Hoden zu kratzen, antwortete für ihn. »Weil der Nichtsnutz nie eine Laterne mit in die Abtei genommen hat, wenn er was zu trinken brauchte. Der war wie ein Fuchs, konnte im Dunkeln sehen.«
    »Stimmt genau«, sagte ein anderer, der noch jünger war. »Kann sein, dass er hier und da mal was geklaut hat, vielleicht mal ’nen Schluck Wein …«
    Der Bäcker schlug ihn. »Alf, du blöder Trottel, erzähl ihr doch so was nich!«
    »Aber er hätte nie und nimmer Feuer gelegt«, beteuerte Alf.
    »Diese Kerle sind nicht rechtschaffen«, sagte Mansur zu Adelia. »Ich hab ihnen zugehört. Kleine Gauner, Wilderer, alle miteinander, denen bislang noch keiner auf die Schliche gekommen ist. Die Höhle hier ist ihr Zufluchtsort, wenn es brenzlig wird. Anscheinend haben sie diesen Eustace gemocht, ihm Essen hierhergebracht und über seine Klauerei hinweggesehen, solange der Sheriff nichts davon erfuhr. Jetzt, wo ihm Brandstiftung zur Last gelegt wird, haben sie Angst davor, was mit ihnen passieren wird.«
    »Also keine Verbrecher«, sagte Adelia. »Nur Verzweifelte.«
    »Ja, aber verzweifelte Männer sind gefährliche Männer. Wir müssen vorsichtig sein.«
    »Wie denn? Wie sollen wir das eine oder das andere beweisen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich auch nicht. Er sieht aus, als wäre er schon eine ganze Weile tot.«
    »Über einen Monat. Die haben ihn hier ein oder zwei Tage nach dem Brand tot aufgefunden. Sie wussten nicht, was sie machen sollten. Dann hörten sie, dass bald ein Zauberer eintreffen würde, der versteht, was Knochen erzählen.«
    »Du.«
    »Ich. Sie haben auf mich gewartet. Der Körper ist verwest.«
    »Na, was denn auch sonst?« In der sommerlichen Hitze musste die Verwesung rasch vorangeschritten sein. Die geflochtene Schutzwand, die hungrige Tiere abgehalten hatte, war für Fliegen kein Hindernis gewesen.
    »Wollt ihr zwei den ganzen Tag lang rumbrabbeln?« Vor lauter Ungeduld schwang der Bäcker schon wieder sein Messer. »Ich stech euch ab, das schwör ich, ich reiß euch die Gedärme raus. Los, geht

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