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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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draußen drang, hielt Gyltha sich angewidert die Nase zu. »Du und ich, wir bleiben draußen, Miss«, sagte sie zu Allie, aber Adelia fand das zu streng. Welches Kind konnte denn einer geheimen Höhle widerstehen? Außerdem waren Eustace’ Knochen wieder zusammengelegt und mit einem geflickten Umhang bedeckt worden, der Ollie gehörte, dem schweigsamsten Mitglied der Zehnschaft.
    Allie war ganz verzaubert von der Höhle. Sie kniete sich mit ihrer Mutter nieder, um ein Gebet für Eustace’ Seele zu sprechen, ließ sich die Umstände seines Todes schildern und stellte Fragen. Doch da es vor der Höhle mehr Tiere gab als drinnen, ging sie schließlich wieder zu Gyltha hinaus, um mit ihr die Gegend zu erkunden. Adelia und Mansur machten sich daran, die Mauer einzureißen. Es war nicht leicht. Sie war so errichtet worden, dass sie sich ein wenig nach außen wölbte, wobei die Steine sich fest aneinanderschmiegten, fast so, als hätten sie Nut und Feder. Eustace’ Vater hatte sie trotz seiner Angst vor dem Dämon kunstvoll wieder aufgebaut. Sie brauchten eine Viertelstunde, um den ersten Stein herauszustemmen, und obwohl die Arbeit danach leichter ging, dauerte es eine Stunde, bis sie ein Loch hatten, das groß genug war, um sich hindurchzuzwängen.
    Während der ganzen Zeit vergewisserten sich weder Mansur noch Adelia auch nur ein einziges Mal, was sich dahinter befand; das Licht der Laterne beleuchtete lediglich den Bereich, wo sie arbeiteten – und die Stille im Inneren ließ es irgendwie despektierlich erscheinen, aus Neugier einen verfrühten Blick hineinzuwerfen.
    Die Luft, die aus dem Loch entwich, war erstaunlich frisch, ohne Modergeruch, und es war auch nicht gänzlich dunkel dahinter, sondern sie nahmen Dämmerlicht wahr.
    »Ein Heiligengrab?«, fragte Mansur.
    Adelia zuckte die Achseln. Sie wollte sich nicht von der hier deutlich spürbaren Aura der Heiligkeit verführen lassen – der Araber hatte das gleiche Gefühl in der Abtei gehabt. Sie nahm die Laterne, und Mansur half ihr, durch das Loch zu steigen.
    Sie war in einer Kammer, zumindest war es mal eine gewesen – ein großes, hohles in den Berg gebautes Grabmal. Das Erdbeben vor zwanzig Jahren hatte es erschüttert und einigen Schaden angerichtet. Wo die kunstvoll gesetzten Steine von Mauer und Decke sich hätten wölben müssen, um die Form eines runden Bienenkorbes zu bilden, waren sie herabgestürzt und hatten den unbehauenen Felsen dahinter freigegeben.
    Risse hatten sich geöffnet, nicht nur in der Decke, sondern auch in dem Fels dahinter, sodass dünne Sonnenstrahlen, von den eindringenden Farnen und Moosen grün gefärbt, hier und da wie durch winzige Schießscharten die Dämmerung durchdrangen.
    In der Mitte befand sich ein Tümpel, der so still war, dass er ein Spiegel hätte sein können. Die glatte Oberfläche erzitterte, als Mansur seinen langen Körper mühsam durch das Loch zwängte.
    Auf der anderen Seite waren Steine aus der hinteren Mauer gefallen, und auf ihnen lag ein Schädel.
    Oh Gott, bitte, dachte Adelia, nicht noch einen Mord.
    Das also war der Dämon, den Eustace’ Vater gesehen hatte.
    Der Schädel war bis tief in die Stirn gespalten und wurde nur von einem Metallreif, der wie der Haarreif einer Frau aussah, zusammengehalten. Er war leicht verrutscht und saß in einem kecken Winkel, als versuchte der Tod sich verwegen zu geben. Der Schädel starrte grinsend in den Tümpel hinunter, wo sein vollkommenes Spiegelbild zurückgrinste – zwei Dämonen.
    Ein Wassertropfen vom Dach fiel wie ein Ton von Rhys’ Harfe mit einem hellen Pling in den Tümpel. Wieder erzitterte die Oberfläche, sodass der Dämon darauf sich kräuselte, ehe er wieder die Gestalt seines Zwillings annahm.
    Nach einem langen Moment ging Mansur um den Tümpel herum. Seine Lippen formten lautlos arabische Gebete, als er den Schädel behutsam mit beiden Händen nahm und ihn auf den Boden legte. Dann begann er, in dem Steinhaufen herumzustöbern. Er winkte Adelia mit dem Finger zu sich.
    Sie war wie gebannt gewesen und musste blinzeln und den Kopf schütteln, ehe sie zu ihm gehen konnte.
    Zwischen den Steinen lagen noch andere Dinge: vermoderte Holzstücke, Knochen, ein zerschmetterter Helm, der gleichfalls in der Mitte gespalten war und zu der Verletzung im Schädel passte; offenbar hatte eine Axt oder ein Schwert das Metall durchschlagen und den Kopf darunter getroffen.
    Adelia tauchte eine Hand in den Tümpel, um zu sehen, wie tief er war, und ertastete

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