Der König von Berlin (German Edition)
mit dem Computer zum Bild vom Rattenskelett!»
Unzählige Fragen hätten Toni und Georg gehabt, aber sie rannten trotzdem unverzüglich los.
E ntschuldigen Sie, Frau Matthes, aber können Sie mir bitte sofort sagen, wer diese Person hier auf dem Foto ist?»
Claire Matthes erschrak ein wenig über den rüden Ton des Hauptkommissars. Bislang war der junge Mann doch immer höflich, ruhig und anständig gewesen. Aber jetzt drückte er ihr das Foto fast ins Gesicht. Sie trat einen Schritt zurück und setzte sich die Lesebrille auf die Nase, die an einer Kette um ihren Hals hing. Doch das nützte nichts, Lanners Hand zitterte zu sehr, als dass sie etwas hätte erkennen können. Mit vorwurfsvollem Blick nahm sie ihm das Bild ab und betrachtete es. Nach einer Pause, die Lanner wie die Warteschleife bei der Telekom vorkam, begann sie sinnierend mit der Bildbeschreibung. «Das ist im Garten vom Herrn Maschmann. Dreißig Jahre ist das sicher her, mindestens. Ja, genau, das war 1980. Das EM-Finale. Deutschland gegen – gegen wen war das noch mal?»
Lanner fürchtete zu platzen. «Das ist jetzt egal, Frau Matthes. Wer ist diese Frau?»
«Belgien.» Claire Matthes lächelte stolz. «Gegen Belgien. 2 : 1.»
«Ja gewiss, aber wer …»
«Hrubesch. Beide Tore Horst Hrubesch. Wir haben gegrillt.»
«Sehe ich, Frau Matthes. Für mich wäre allerdings wichtig …»
«Der Herr Maschmann, Erwin Machallik, und das bin ich», sie tippte aufs Foto, «vor über dreißig Jahren. Jetzt mal ehrlich, hab ich damals heiß ausgesehen oder etwa superheiß?» Sie schaute Lanner erwartungsfroh und ehrlich interessiert an.
Lanner geriet ein wenig aus der Spur. «Sie … Sie waren schon …»
«Ich war heiß. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber Sie interessieren sich ja wohl mehr für die andere.» Kurz genoss sie Lanners flehenden Blick, dann sagte sie gütig: «Wie hieß sie noch mal? Manu. Ja genau, Manuela Schorn. Damals eine der engsten Mitarbeiterinnen von Herrn Maschmann. Die beiden funkten auf einer Wellenlänge. Als Sekretärin hat man ein Gespür für so was. Er hat sie oft mit besonderen Aufgaben betraut, aber irgendwann hab ich sie nicht mehr in der Firma gesehen. Sie ist, glaub ich, ins Ausland gegangen, hat sich selbständig gemacht. Was die wohl heute treibt?»
Das weiß ich, dachte Lanner, zur Chefsekretärin sagte er allerdings: «Vielen Dank, Frau Matthes, Sie haben mir sehr geholfen.» Eigentlich schrie er es fast, dann riss er ihr das Foto aus der Hand und lief Richtung Ausgang.
Plötzlich ergaben die Dinge einen Sinn. Das war das fehlende Teilchen, der Missing Link. Als er auf den Bürgersteig sprang, ließen ihn die warme Nachmittagssonne und die frische Luft kurz innehalten. Aber nur ein paar Sekunden, dann erblickte er die nächste Überraschung. Walter Rimschow lehnte an Lanners altem Streifenwagen, er wartete offenbar auf den Hauptkommissar.
«Was machen Sie denn hier?»
«Carola Markowitz hat mich angerufen und erzählt, die Ereignisse würden sich überschlagen. Außerdem hat sie mir verraten, dass Sie die ganze Nacht verschollen waren. Da habe ich mir Sorgen gemacht.»
«Ach», Lanner versuchte ein spöttisches Lachen, das ihm gründlich misslang. «Warum das denn?»
Rimschow blickte ernst. «Weil ich meine Pappenheimer kenne. Wenn jemand ohne klare Gründe eine Nacht lang verschwunden ist, kann das für ihn sehr unangenehm gewesen sein.»
«Waren Sie auch schon einmal eine Nacht verschollen?»
«Gehen Sie getrost davon aus, dass ich in meinem Berufsleben schon sehr, sehr viel erlebt habe. Auf einiges davon hätte ich gern verzichtet.»
«Vier Killerladys haben mir eine Heidenangst eingejagt. Wirkliche Todesangst. Das werde ich nie wieder vergessen.»
«Die Angst oder die Demütigung?»
«Beides. Seit ich heute Morgen mit eingepisster Hose in meinem Wagen erwacht bin, frage ich mich, wer dahintersteckt. Und woher dieser Jemand die Information hatte, dass ich in Brandenburg unterwegs war. Seit ein paar Minuten weiß ich es.» Er hielt Rimschow das Foto vor die Nase.
Der musste blinzeln, um etwas zu erkennen. «Das sind Maschmann und Machallik in jüngeren Jahren, dazu die Sekretärin, die Matthes, und …», er schaute genauer, «… das kann doch nicht sein. Ist das wirklich meine Frau Zierau?»
«Wenn sich Ihre Zugehfrau so nennt. Jedenfalls ist sie das. Tatsächlich heißt sie aber Manuela Schorn und war vor dreißig Jahren eine der engsten Vertrauten von Herbert Maschmann. Sie ist
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