Der König von Berlin (German Edition)
Schlafmittel, nix Gefährliches, bloß ein Schlafmittel. Das solle ich trinken, und wenn ich dann aufwache, wäre alles wieder gut.»
«Die wollten dich also nicht töten?»
Georg wedelte die Frage weg. «Ach was, töten. Max ist sogar noch den Beipackzettel mit mir durchgegangen, wegen der Nebenwirkungen, ob ich auch nicht allergisch bin oder so. Damit mir bloß nichts passiert.»
Lanner kratzte sich am Kopf. «Also, für mich klingt das nicht nach kaltblütigen Mördern.»
Georg lachte. «Nee, das nu echt nicht. Als ich gefragt habe, was passieren würde, wenn ich das Schlafmittel nicht trinke, hat Helmut gemeint: Dann bleibt er einfach auf mir sitzen, bis ich verhungert bin. Da haben wir sogar noch alle zusammen gelacht. Also, ich nur ein bisschen, weil, der war echt schon ziemlich schwer, der Blödmann.»
«Aber ihren Vater, meinst du, haben sie vergiftet?»
«Na, das hab ich genau gehört. Sie stritten, wer wie dem Alten das Gift in den Wein gekippt hat.»
«In den Wein, sagst du? Haben die erzählt, sie hätten das Gift in den Wein getan?»
«O ja, in den Rotwein, also Max war das, hat er zugegeben. Da bin ich mir ganz sicher. Warum?»
«Ach nichts, es ist nur, weil …», er stutzte, «ist jetzt nicht so wichtig, erklär ich dir später.»
«Na gut, ich bin dann jedenfalls vor einigen Stunden wieder in dem Mausoleum da aufgewacht. Mit so einem Kopp, kann ich dir sagen, aber ich weiß nicht, ob der vom Schlafmittel oder vom Alkohol kam.»
«Wahrscheinlich von beidem. Aber warum bist du denn erst jetzt rausgekommen?»
Georg machte große Augen. «Warum wohl? Weil ich nicht eher konnte, du Hirni. Das ist ein Hochsicherheitstrakt. Da wäre nicht mal der Dings früher rausgekommen.»
«Wer?»
«Na, der Dings hier, dieser berühmte Ausbrecherkönig, wie heißt der denn noch?»
«Keine Ahnung. Gibt es hier einen Ausbrecherkönig?»
Georg dachte nach. «Das harte Brot oder wie der heißt. Otto irgendwas, das singende Croissant oder so. Auf alle Fälle waren alle Leitungen, alle Telefone tot. Haben sie gekillt. Das Handy weg. Alles, was die mir dagelassen haben, war die Bedienungsanleitung für das Sicherheitssystem der Bunkertür und ein Wörterbuch.»
Lanner glaubte, er hätte sich verhört. «Ein was?»
«Ein Wörterbuch.»
«Warum das denn?»
«Weil», schrie Georg ihn fast an, «die bekloppte Bedienungsanleitung auf Koreanisch ist! Deshalb.»
Der Kommissar konnte ein Lachen nicht ganz unterdrücken. «Heißt das, du hast mehrere Stunden lang versucht, die koreanische Bedienungsanleitung eines hochkomplizierten Schließmechanismus mit Hilfe eines Wörterbuchs zu entschlüsseln?»
Georg Wolters war verärgert. «Jaha, das ist sehr lustig, was? Und das mit so einem Brummschädel!»
Der Hauptkommissar drehte sich zum Fenster, um Wolters nicht anschauen zu müssen. «Also, ich finde, Humor haben die Brüder schon irgendwie.»
«Ja, ich habe auch lange und herzlich gelacht. Zwischenzeitlich dachte ich höchstens mal, das wird nie was, werde ich eben verhungern.»
«Aber irgendwann hast du es dann geschafft. Das ist doch ein Erfolgserlebnis.»
«Von wegen. Nachdem ich stundenlang sinnlos und verzweifelt rumgerätselt habe, bin ich irgendwann auf die Idee gekommen, ins Regal zu gucken.»
«Und?»
«Da stand die deutsche Anleitung. Die ganze Zeit.»
Es klopfte, dann steckte Toni Karhan den Kopf zur Tür rein. «Entschuldigen Sie die Störung, aber wenn Sie fertig sind … Es geht um die Ratten. Die Situation ist wirklich ernst. Georg, ich könnte deine Hilfe brauchen.»
Lanner nickte. «Von mir aus.»
Als der Kommissar zurück ins Chefbüro kam, waren Kolbe und seine Männer längst dabei, alles auf den Kopf zu stellen. Der oberste Spurensicherer sichtete gerade eine Schachtel mit Fotos aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren. Vielleicht war es Lanners neue Gelassenheit, vielleicht der jüngste Triumph oder auch nur purer Übermut, aber er verspürte zu seiner eigenen Überraschung große Lust, Kolbe von der Seite anzuquatschen. «Was genau suchen Sie hier eigentlich?»
«Das sag ich Ihnen, sobald ich es weiß. Wenn ich es gefunden hab.» Er blickte den anderthalb Kopf größeren Lanner kumpelhaft an. «Das war großes Kino, gerade vor der Bunkertür. War natürlich auch Glück bei, dass Ihr Freund genau im richtigen Moment die Tür öffnet, aber der Punkt geht an Sie, muss ich zugeben. Doch jetzt seien Sie auch schlau: Halten Sie sich deshalb nicht für den Größten.»
Lanner
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