Der König von Berlin (German Edition)
atmete stoßweise. «Ganz langsam. Auf den Boden legen und dann rüberschieben.»
Kersting ging in die Hocke, legte das Smartphone auf das glatte Parkett, versuchte, es zu schubsen – und schaute ratlos auf. «Geht nicht.»
«Was?» Lanner überfiel wieder sein Ganzkörperzittern.
«Man kann das nicht schieben. Das hat diesen rutschfesten Schutz.»
«Meine Güte, dann machen Sie den Schutz eben ab!» Lanner konnte es nicht fassen. Wie blöd war der Kerl denn noch? Ungeduldig sah er zu, wie Kersting äußerst umständlich den schwarzen Weichgummi abschälte. Wie konnte ein erwachsener Mann nur so unpraktisch sein! Als wenn er mit Absicht, um Zeit zu … Der Gedanke kam Lanner eine Sekunde zu spät, sonst hätte er sich vielleicht umgesehen und bemerkt, dass ein unsichtbarer, lautloser Geist hinter ihn getreten war. Ein äußerst kräftiger noch dazu, der ihm fast spielerisch den goldenen Bierpinsel abnahm.
Keine halbe Minute später fand sich Lanner auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch wieder. Er blickte auf die Trümmerwüste des Büros und gab jeden Gedanken an Flucht auf. Die offenkundig in allen Kampfkünsten bewanderte Empfangsdame hatte sich mit ihren drei langbeinigen Kolleginnen um ihn herum postiert. Er hatte diese Situation schon einmal erlebt, vor nur vierundzwanzig Stunden. Nun war jeder Widerstand zwecklos. Als ihm von hinten ein Beutel über den Kopf gezogen wurde, dessen Geruch ihm noch sehr vertraut war, wehrte er sich nicht gegen die Bewusstlosigkeit, die ihn zugleich überfiel.
Z ufrieden grinsend steckte Georg sein Handy weg. Toni war, während sie im Wagen vor dem Alexa warteten, das SMS-Piepsen nicht entgangen. «Was ist denn los?»
«Ach, nichts.»
«Wenn es nichts wäre, würdest du nicht so beseelt vor dich hin grienen.»
«Also gut, aber du darfst da mit niemandem drüber reden.»
«Ehrensache. Ich werde es höchstens ans Nachrichtenradio 99,9 geben», sagte Toni trocken und machte sein «Ist egal»-Gesicht.
Georg lachte. «Ich sehe, wir verstehen uns. Also, die Frau Kreutzer, die vor drei Tagen beim Einsatz die Leiche entdeckt hat, mit der war ich dann ja essen …»
«Als ihr von den Ratten überfallen wurdet.»
«Genau, und da hat sie unter anderem von einer Tasche erzählt, die sie ganz toll findet, die aber leider abartig teuer ist. Deshalb habe ich sie vorhin angerufen und gefragt, ob es diese Tasche auch im Alexa gibt. Sie meinte, wahrscheinlich schon, und ich erzählte ihr, dass da gleich so eine Art Schlussverkauf wäre, na ja, jedenfalls eine gute Gelegenheit, so eine Tasche einfach mal mitzunehmen. Jetzt hat sie eine SMS geschickt und noch mal gesagt, wie sehr sie sich freut. Hat geklappt, und ein paar andere nützliche Dinge hat sie auch noch gefunden.»
Toni schaute ihn fassungslos an. «Das ist Diebstahl.»
Der Vorwurf überraschte Georg. Ertappt murmelte er: «Ja, schon, aber dafür habe ich heute Abend wahrscheinlich Sex. Und … ich meine, die Ratten hätten die Tasche wahrscheinlich doch sowieso ruiniert.»
«Ich weiß. Ich habe auch nicht gesagt, ich finde das böse oder verurteile es. Ich gönne dir den Sex, obwohl mir so eine Geschichte keine gute Basis für eine Partnerschaft scheint. Den Spaß gönne ich euch, aber Diebstahl ist es trotzdem.»
Schuldbewusst und etwas beleidigt steckte Georg die Hände in die Hosentaschen.
Toni war noch nicht fertig. «Du solltest etwas spenden.»
«Wie bitte?»
«Etwas spenden, von dem gesparten Geld. Für eine gute Sache. Clowns im Krankenhaus oder so.»
«Und dann findest du es in Ordnung?»
«Nein, es bleibt Diebstahl, aber du hast dann was gespendet. Das ist besser als Diebstahl und du hast nichts gespendet.»
Georg sah zum Einkaufszentrum. «Ich wette, da haben einige noch schnell ein Schnäppchen abgegriffen.»
«Diebstahl ist kein Schnäppchen. Aber du hast schon recht. Und hinterher wird für die Versicherungen bestimmt noch vieles von den Ratten gefressen worden sein, das jetzt gar nicht in den Läden steht.»
«Zahlt die Versicherung denn bei Rattenplagen?»
«Keine Ahnung.»
«Sollten wir mal recherchieren.»
«Wozu?»
«Stimmt auch wieder.»
Die beiden sahen zum Haupteingang, aus dem die letzten Kunden und Angestellten tröpfelten. «Gleich ist es so weit, wir sollten langsam anfangen, das Gift reinzuschaffen», sagte Georg.
Toni stöhnte zustimmend. «Wird auch Zeit, bestimmt haben sich schon jede Menge Tiere unten angesammelt.»
Nachdenklich betrachtete Georg den Kaufhausklotz. «Wäre das
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