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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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«Was immer in der Stadt auch passiert, hier erfahren Sie es zuerst, 99,9, Ihr Berlin-Sender!»
    Die beiden Männer sahen sich an und konnten sich das Lachen nicht verkneifen. «Was ich immer sage», grummelte Toni nicht mal unfröhlich, «nichts und niemand in dieser Stadt ist schneller als die Kammerjäger.»

W ährend Lanner Maschmann triumphierend sein Smartphone entgegenhielt, war Dr. Kersting aus seinem Sessel geschnellt und zum Hauptkommissar gesprungen. Der Anwalt rammte ihn mit der Schulter und schlug mit der Faust auf seinen ausgestreckten Arm. Hastig drückte der Kommissar auf den Touchscreen, um die Mail mit dem MP 3-Anhang wegzuschicken, doch da fühlte er das Telefon schon aus seiner Hand gleiten und sah es durch den Raum fliegen. Er lauschte, hoffte, das erlösende «Pffffffftttt»-Signal zu hören, dass die Mail gesendet wäre. Aber zu laut rauschte das Blut in seinen Ohren, pochte die Erregung in seinen Schläfen, brüllte der Anwalt auf ihn ein. Wie in Zeitlupe nahm Lanner wahr, dass der Schub von Dr. Kersting beide ein paar Meter durchs Zimmer stolpern ließ, bis sie mit lautem Krachen im Schloss Bellevue einschlugen.
    «Neeeiiiinn!!!» Er hörte Maschmann schreien, der ihn an Kragen und Hosenbund griff, hochriss und durch den Raum schleuderte. Diesmal landete Lanner in der Sitzgarnitur. «Mein Schloss Bellevue! Er hat mein Schloss Bellevue zerstört! Die Würde des Bundespräsidenten – beschädigt!»
    Lanner rappelte sich aus der Couch hoch und spähte, wo sein Handy wohl gelandet war. Als Dr. Kersting zielstrebig auf das Modell des Breitscheidplatzes samt Gedächtniskirche und Europa-Center genau zwischen ihnen zustürmte, entdeckte er es. Das Telefon lag vor einer Unterführung. Offensichtlich war dies der Breitscheidplatz vor dem Umbau. Der Hauptkommissar setzte zum Sprung an. Direkt über dem Zoo-Palast krachten die beiden zusammen und rissen im Sturz das Schimmelpfeng-Haus ab, was sie nicht eine Sekunde irritierte. In den Ruinen des Modells hangelten sie nach dem Telefon, traktierten sich dabei mit Tritten und Schlägen und fügten der Gedächtniskirche fraglos die heftigsten Schäden seit dem Zweiten Weltkrieg zu. Plötzlich war das Telefon in Kerstings Hand. Mit dem Knie kickte es Lanner weg, und es segelte ein weiteres Mal in hohem Bogen durchs Büro. Im Gerangel zertrat der Anwalt das Marmorhaus, während der Hauptkommissar den Mercedesstern vom Europa-Center abbrach und wütend in das Elefantentor des Zoologischen Gartens schleuderte.
    Auf einmal stand Maschmann vor dem Polizisten, packte ihn, hob ihn einen halben Meter hoch in die Luft. Die Kräfte dieses Mannes und seiner riesigen Hände waren unglaublich. Wie konnte jemand mit Ende siebzig eine derartige Urgewalt sein, Wut hin oder her? Gab es da Medikamente? War er eine Art Hulk, nur ohne Grün?
    Nachdem er Lanner Unverständliches ins Gesicht geschrien hatte, warf er ihn wie eine Tischdecke über den Schreibtisch. Der Kommissar breitete die Arme aus und fegte die ganzen unnützen Gegenstände mit Schwung vom Tisch. Lanner hörte Vasen klirren, Dinge zu Boden krachen. Und er spürte bereits den Schmerz von tausend blauen Flecken.
    Als er sich umgedreht und die Augen vom Schweiß frei geblinzelt hatte, sah er Dr. Kersting sein Smartphone in der Hand halten. Mit einer letzten Kraftanstrengung wuchtete Lanner sich vom Schreibtisch, hüpfte zum goldenen Bierpinsel, riss ihn vom Sockel und sprang zur Reichstagskuppel, die gleich neben dem Gendarmenmarkt mit Französischem und Deutschem Dom stand. Wie eine Keule hielt er das goldene Turmmodell in die Höhe. «Das Telefon, oder ich schlage zu. Ich mach hier alles platt, eins nach dem anderen. Und der Bierpinsel wird das auch nicht so ohne weiteres überstehen!»
    Dr. Kersting sah mächtig derangiert aus. «Vergessen Sie’s, Lanner. Sie sind erledigt!»
    Lanner hob seine Waffe noch etwas höher und setzte zum Schwung an. «Ich schlag zu, bei Gott, ich schwöre, ich schlag zu! Alles kurz und klein! Beide Dome und den Reichstag!»
    «Gib ihm das verdammte Telefon!» Maschmann schien fast zu weinen. «Er hat hier schon genug angerichtet. Schloss Bellevue, die Gedächtniskirche, das Schimmelpfeng-Haus. Das ist alles so respektlos. Dieser niedersächsische Bauer versteht nicht, was diese Stadt ausmacht.»
    Dr. Kersting ließ die Schultern sinken. «Aber Herbert …»
    «Gib ihm das Telefon, hab ich gesagt!»
    Mit hilfloser Miene gab der Anwalt zu erkennen, dass er sich fügte.
    Lanner

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