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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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schlecht organisiert und so ahnungslos? Konnte es sein, dass sie diese Unterlagen nie gesehen hatten? Oder waren sie einfach nur ausgezeichnete Schauspieler, die irgendein raffiniertes, doppeltes Spiel spielten?
    Wie gehetzt sie gewirkt hatten, als sie ihn in seine neue Funktion einführten. Max, der angeblich noch einen wahnsinnig wichtigen, unaufschiebbaren Termin am Abend hatte, wahrscheinlich mit dem Bürgermeister und der versammelten Stadtelite in irgendeinem Saunaclub. Und Helmut, der fünfmal betonte, er sei heute acht Einsätze gefahren und einfach nur noch müde. Georg und er hatten seit Wochen jeden Tag zwischen fünfzehn und zwanzig Einsätze.
    Toni dachte nach, lange und angestrengt. Er schloss die Augen und versuchte, die Stadt aus der Perspektive einer Ratte zu sehen. Einer Rättin am besten. Wie sie Hunger hatte. Den ganzen Tag schon hatte sie Hunger gehabt. Eigentlich hatte sie sowieso immer Hunger. Permanent. Auch wegen dieser lästigen Schwangerschaften. Wie ihr das auf die Nerven ging, dass sie schon wieder schwanger war. Im Prinzip war sie mehr oder weniger immer schwanger. Sie konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal nicht schwanger gewesen war. So war das eben. Alle paar Wochen kamen neue Junge aus ihr. Warum auch immer. Sie hatte sich längst damit abgefunden, obwohl sie es manchmal ungerecht fand. Die Typen hatten diesen Stress nicht. Die machten nun wirklich nichts anderes als den ganzen Tag fressen, Fressen suchen, Sex und schlafen. Cooles Leben. Das hätte ihr auch gereicht. Aber sie musste ja noch dauernd schwanger sein. Sicher, sie brauchten den Nachwuchs. Dringend brauchten sie die neuen Nasen, denn es gab viel zu wenig Fressen für die Kolonie. Also brauchten sie zusätzliche Nasen, damit die Fressen suchen konnten, wobei man für die neuen Nasen dann wieder noch mehr Fressen benötigte, und so weiter …
    Manchmal hatte sie schon den Eindruck, dass diese ewige Wachstumsspirale zu nichts führen konnte – oder doch nur in eine Katastrophe. Aber dann dachte sie bald wieder an Sex oder ans Fressen, was ihr schon irgendwie wichtiger war. Wie allen anderen auch. Das war es doch, was das Schöne im Leben ausmachte, also Sex haben und fressen.
    Wie gut das alles roch in der Stadt. Die vielen Futterstellen der Menschen. Aber es war oberstes Gesetz, niemals gleichzeitig mit den Menschen an einer Futterstelle zu fressen. Menschen mochten es nicht, wenn sie sich ihr Fressen mit Ratten teilen mussten. Das war allgemein bekannt. Sie konnten dann ziemlich bösartig und gefährlich werden. Es gab ältere Ratten, die behaupteten, die Menschen hätten mehr Angst vor ihnen als sie vor den Menschen, es sei eigentlich nur die Angst, die die Menschen so aggressiv und unberechenbar mache. Ein Mensch, der sich nicht bedroht fühle, würde niemals eine Ratte angreifen.
    Aber das war ihr alles egal. Ihr waren diese Menschen einfach unheimlich. Außerdem hieß es, sie würden Krankheiten übertragen. Immer wieder hörte man von Familien, ganzen Kolonien, die sich an die Oberfläche, in die Lebensräume von Menschen gewagt hatten und dann allesamt von einer eigenartigen Krankheit dahingerafft wurden. Oft innerhalb weniger Tage. Und doch hatte sie Hunger. Wahnsinnigen Hunger! Sie waren einfach viel zu viele! So viele waren sie doch sonst nie gewesen! So viele! Und alle hatten sie Hunger! Riesengroßen Hunger! Der irgendwann alle Angst überbrüllt: Hunger! Hunger!! HUNGER!!!
    Toni schreckte hoch. Er wusste plötzlich, es würde etwas geschehen. Etwas Größeres, Bedrohlicheres als ein paar Rattenlöcher in Hinterhöfen. Die Unterlagen, sein Bauchgefühl, die innere Stimme. Alles deutete darauf hin. Es würde nicht mehr lange dauern.
***
    Georg war sehr zufrieden, dass er ein Lokal am Hackeschen Markt ausgewählt hatte. Die Tische und Stühle der vielen Gaststätten, die den riesigen Platz wie ein einziges gigantisches Open-Air-Restaurant wirken ließen, die laue Spätsommernacht, die Weltläufigkeit des Publikums, die sanfte Gesprächsmusik aus fremden Sprachen von Gästen aus aller Herren Länder, der Duft der Speisen, der zart von Nachbartischen herüberwehte, und nicht zuletzt der dezente Gesang eines Straßenmusikers verliehen diesem Abend eine romantische Note. Die wenigen Ratten, die Georgs geschultes Auge zwischen den Büschen hin und her huschen sah, konnten diesen Frieden nicht stören.
    Sabine Kreutzer erzählte von ihrer Tochter Lucy und dem Alltag an ihrer Schule, sie war

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