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Der König von Berlin (German Edition)

Der König von Berlin (German Edition)

Titel: Der König von Berlin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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hatte Bolk nie die Absicht, das Mädchen sofort zu befreien, sondern wollte erst einmal weit wegkommen, um später von wo auch immer aus das Versteck zu verraten. Also, hoffentlich war das sein Plan. Das Einsatzkommando fand Effi Ziegler im tiefsten Wald auf einem ehemaligen Truppenübungsgelände. Sie war mit den Füßen an einen Betonklotz gekettet, allerdings mit Wasser und Keksen versorgt. Der Regen war in das Loch geströmt, bis zur Hüfte stand sie schon im Wasser – wenige Stunden später, und sie wäre wahrscheinlich tot gewesen, ertrunken oder erfroren. Es musste noch Spezialwerkzeug herangeschafft werden, um sie von den Ketten zu befreien. Dann endlich wurde das völlig unterkühlte und traumatisierte Mädchen nach Berlin in ein Krankenhaus gebracht. Sie hatte sich mit dem Tod eigentlich schon abgefunden … Rimschow hatte recht behalten. Das Mädchen lebte, und er war es, der es gerettet hat.»
    Lanner beugte sich vor und schaute Carola Markowitz irritiert an. «Das ist seltsam. Über eine heldenhafte Rolle des Hauptkommissars Rimschow in diesem Fall habe ich, soweit ich mich erinnere, offen gestanden nie etwas gelesen.»
    Seine Kollegin lachte verächtlich auf. «Natürlich nicht, weil darüber ja auch nie etwas in den Zeitungen stand. Keine zwei Stunden nach der Rettung des Mädchens, noch bevor man eine Pressekonferenz hatte abhalten können, stand plötzlich Dr. Kersting im Präsidium und verkündete, dass er ab sofort die Verteidigung von Dennis Bolk übernehmen würde.»
    «Hat Bolk ihn angerufen?»
    «Nein, das muss jemand anderes gewesen sein. Irgendjemand, der sehr, sehr gut informiert war und geahnt hat, wie sehr sich Kersting für den Fall interessieren würde. Alle waren sehr überrascht: Der Staranwalt nahm sich einer kleinen, miesen Ratte von Kindesentführer an. Selbst Dennis Bolk schien überrascht. Wir nahmen an, Kersting sei an der riesigen Publicity interessiert, der Fall hatte bundesweit enormes Aufsehen erregt. Aber es stellte sich bald etwas ganz anderes heraus: Kersting schielte nicht auf die Öffentlichkeit, im Gegenteil, er versuchte sogar, sie zu meiden. Auch um Dennis Bolk ging es ihm nicht. Kersting ging es einzig und allein um Hauptkommissar Rimschow.»
    «Kersting wusste also bereits, dass Rimschow Bolk auf eine nicht erlaubte Art und Weise ausgequetscht hatte?»
    «Bis heute weiß eben niemand, was Rimschow mit Bolk gemacht hat. Auffällige Verletzungen hatte der Typ jedenfalls nicht. Rimschow hat nie etwas verraten, also zumindest uns, seinen Kollegen, nicht. Und dass Bolk schweigen konnte, war ja hinlänglich bekannt. Direkt darauf muss es irgendeine Art Deal gegeben haben: Rimschow wurde quasi aus dem Fall rausgeschrieben und für zwei Jahre vom Dienst freigestellt, bei vollen Bezügen allerdings. Erst kurz vor Ablauf der zwei Jahre hat er gekündigt, wodurch die Stelle neu besetzt werden konnte, mit Ihnen. Offiziell wurde behauptet, Bolk habe sich die ganze Zeit kooperativ verhalten, nur ein paar Ermittlungspannen hätten für die Verzögerung gesorgt. Dafür musste er dann wohl garantieren, keine Beschwerden wegen der Verhörmethoden zu haben. Vermutlich auch schriftlich. Da Effi Ziegler überlebt hatte und Bolk nicht vorbestraft war, erhielt er am Ende nur eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Weitere drei Jahre wurden zur Bewährung ausgesetzt. Für die Eltern war das natürlich bitter, aber das Wichtigste für sie war, ihre Tochter lebend zurückzuhaben. Sie waren erleichtert – bis sie bemerkten, dass ein anderes Kind zu ihnen zurückgekommen war. Die körperlichen Wunden der Entführung waren nach drei Monaten verheilt, die seelischen jedoch blieben. Albträume, Panikattacken, Angstzustände, Verzweiflung. Effi Ziegler hat sich nie mehr davon erholt. Mehrmals versuchte sie, sich das Leben zu nehmen. Vor vier Monaten hat sie es geschafft. Kurz darauf hat Rimschow gekündigt.»
    Eine hilflose Stille entstand nach Markowitz’ letztem Satz. Lanner dachte an das, was ihm sein Ausbilder, Rolf Petersen, ein altgedienter, verbrauchter Kriminalkommissar aus Hamburg, der in Cloppenburg so was wie sein Gnadenbrot erhielt, mal gesagt hatte. Nicht die Brutalität, die Gewalt, Skrupellosigkeit oder Perversion, der man in diesem Beruf begegnet, sind es, die einen nachts nicht schlafen lassen. Es ist die Sinnlosigkeit. Obwohl Lanner wusste, dass es auf seine nächste Frage keine gute Antwort geben konnte, gelang es ihm nicht, sie sich zu untersagen. «Wie sind die Eltern damit

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