Der König von Berlin (German Edition)
viel Gäste sich früh schon unwohl fühlten, nicht mehr richtig essen und trinken wollten? Wie Birte, die Frau des Polizeipräsidenten, die plötzlich so schnell nach Hause wollte, weil ihr so irrsinnig schlecht war. Vielleicht hat die zum Beispiel eines der Gläser mit wenig Gift erwischt.»
«Ja, oder sie hat einfach Gläser ohne zusätzliches Gift getrunken – nur eben ganz, ganz viele.» Helmut lachte bitter. «Du hast ihn umgebracht, mach dir nichts vor. Aber keine Angst, ich häng längst mit drin, weil ich dich die ganze Zeit gedeckt habe. Ich werde schon nichts verraten. Ich hab genauso viel zu verlieren!»
«Wupffff!»
Max und Helmut fuhren herum zu Frau Matthes. Auch sie war jetzt in einen der tiefen Sessel gesunken. Ungläubig schaute sie die Brüder an. «Sie haben also wirklich Ihren Vater vergiftet. Egal, wer das Gift ins Weinglas geschüttet hat, schuldig sind Sie beide! Ich wusste von Anfang an, es war kein Unfall!»
Max war entsetzt. «Tante Claire, bitte. Wenn überhaupt, war es nur ein bisschen Absicht.»
Die alte Frau schaute durch ihn hindurch.
Helmut sprang Max zur Seite: «Außerdem ist es jetzt egal! Die Polizei hat es als Unfall abgehakt, und wem wäre damit geholfen, wenn alles noch mal aufgerollt würde? Niemandem. Na gut, dann hat Max ihn eben umgebracht. Oder meinetwegen haben auch wir ihn umgebracht. Na und? Wenn wir alle die Nerven behalten, wird außer uns nie jemand die Wahrheit erfahren.»
Claire Matthes sagte nichts, sie konnte nichts sagen. Stattdessen zeigte sie wortlos zur Tür. Helmut wollte ihrem Finger mit den Augen folgen, musste sich dafür jedoch erheben. Er drehte sich zur Seite, um die erfolgreiche Aufstehtechnik von vorhin zu wiederholen. Als er sich von der Lehne hochstieß, wanderte sein Blick bereits zur Tür – hinter deren Anschlag versteckte sich notdürftig: Georg Wolters.
«Wupffff!»
Helmut fiel vor Schreck zurück in den Sessel. Aber Max sprang auf und stürzte sich auf den fassungslosen Georg. Während der strampelnd versuchte, sich zu befreien, brüllte Helmut: «Geben Sie sich keine Mühe! Das hier ist wie ein Bunker gebaut. Wenn wir nicht wollen, kommen Sie hier sowieso niemals raus!»
Ein Satz, das wurde Georg sofort klar, der seine Situation ziemlich präzise beschrieb.
D as «Gasthaus zur Buche» war nicht schwer zu finden gewesen. Es gab nur ein Wirtshaus in Wilhelmsfelde, und Carola Markowitz fragte sich, wer wohl auf die Idee kam, eines der dort angebotenen Zimmer zu nehmen. Das Gebäude war vermutlich zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut, zu DDR-Zeiten mit dem, was man hatte, kompromisslos instand gesetzt und nach der Wende endgültig ins Grab modernisiert worden. In hellem Rot gekalkt, mit kleinen, dunklen Fenstern, drei bunten Lichterketten und einer riesigen, völlig aus dem Rahmen fallenden Wernesgrüner-Pils-Leuchtreklame sah es aus wie ein kleines Mädchen, das Kleiderschrank, Schminktisch, Schmuckschublade der Mutter geplündert und sich möglichst viel angezogen und umgehängt hat. Nur der Biergarten hätte Charme haben können, wenn er denn in Gebrauch gewesen wäre. Den matschigen, mit Pfützen durchsetzten Boden müsste man erst mal trockenlegen, dachte Markowitz, die amüsiert nach dem Baum suchte, der diesem Gasthaus den Namen gab.
Noch mehr als über eine Buche hätte sie sich allerdings über Lanner gefreut, von dem noch nichts zu sehen war. Sie hatte schon unzählige Male versucht, ihn anzurufen, fünf oder sechs SMS geschickt, ihn aber nie erreicht. Was für ein Problem er wohl diesmal hatte? Selbst in Brandenburg konnte man doch nicht in so tiefe Funklöcher geraten. Wo mochte er nur stecken?
Sie stand sicher schon zwanzig Minuten auf dem Parkplatz rum, was nicht wirklich angenehm war. Die Gardinen im Schankraum bewegten sich hin und wieder, vermutlich beobachtete man sie längst und sprach über sie. Warum da wohl eine junge Frau seit über zwanzig Minuten in ihrem Wagen sitzt? Was die wohl will? Die Möglichkeit, unbefangen und unauffällig ins Gasthaus zu gehen, war jedenfalls längst vertan.
Welchen Grund konnte dieser Idiot von Hauptkommissar für eine derartige Verspätung haben? Und warum meldete er sich nicht wenigstens? Ob ihm etwas zugestoßen war? Ein Unfall? Unwahrscheinlich, dann hätte er ja Bescheid gesagt, hätte sicher abgeholt werden wollen oder so. Vielleicht ein schlimmer Unfall, sodass er nicht mehr telefonieren konnte? Auch Unsinn, Lanner war in einem Polizeiauto unterwegs, und sie
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