Der König von Berlin (German Edition)
aufgefallen, dass Kolbes Bauch schneller wippte als seine Schultern, und sie grübelte, wie er das wohl machte. Kolbe hatte aber auch gar keine Antwort erwartet, denn nach einer angemessenen Pause antwortete er selbst: «Wenn der ‹Führer› diesen Bunker gehabt hätte, hätten ihn weder die Russen noch die Alliierten gekriegt und auch keine Kugel. Bis heute könnte er da noch munter drinsitzen und so vor sich hin Nazi sein. Den Bunker hätten die nie aufgekriegt, hat der alte Machallik immer gesagt. Nur so hat der sich wirklich sicher gefühlt.»
Schürrmann verzog das Gesicht. «Machallik war doch gar nicht nur im Bunker. Der war doch im Prinzip ständig draußen, in Berlin.»
«Ganz genau.» Kolbe boxte ihm leicht auf den rechten Arm. «Aber er war schon seit Jahren nur noch so weit vom Bunker weg, dass er immer in höchstens vier Stunden wieder drin sein konnte. So hat’s geheißen.»
Schürrmann grinste: «Na, da darf er hier im Winter im Prinzip aber nicht mit der S-Bahn unterwegs sein.»
«Ist er auch nicht. Herr Machallik ist nämlich bereits tot.» Erstaunlich laut unterbrach Claire Matthes die beiden Männer. «Und wenn Sie noch einmal ‹im Prinzip› sagen, fürchte ich, werde ich Ihnen eine runterhauen müssen.» Plötzlich hatte ihre Stimme wieder diese entschlossene Strenge, die sie auch bei den Machallik-Söhnen von Zeit zu Zeit bekam.
«Natürlich», grinste Hauptwachtmeisterin Simon. «Das kennt der Herr Schürrmann im Prinzip schon. Aber wie können wir die Tür denn wieder aufkriegen?»
«Gar nicht.» Frau Matthes zuckte die Schultern. «Von außen kann man diese Tür überhaupt nicht öffnen. Und es gibt auch keinen anderen Zugang. Der Raum lässt sich nur von innen öffnen.»
«Und warum warten wir dann nicht einfach, bis die drei da wieder rauskommen?» Dem beleidigten Schürrmann wurde das nun wirklich zu blöd.
Frau Matthes blieb zornig. «Ich muss mit Hauptkommissar Lanner reden, sofort. Es ist wirklich sehr, sehr dringend. Das habe ich doch schon am Telefon gesagt.»
Kolbe grunzte. «Unser fähigster Dorfsheriff, der begnadete Hauptinnenstadtparker Lanner, ist wohl leider gerade auf einem Außeneinsatz. Im Moment weiß niemand, wann er sich die Ehre gibt, nach Berlin zurückzukehren. Womöglich erst tief in der Nacht.»
Claire Matthes griff nach einem Stuhl und setzte sich. «Dann ist es vielleicht schon zu spät.»
Ramona Simon hockte sich vor sie. «Was ist zu spät?»
«Der Herr Wolters ist in großer Gefahr. Wie ich bereits gesagt habe, waren die drei Herren sehr betrunken und haben auch ganz schönen Unsinn erzählt. Dann ist der Herr Wolters auf Toilette gegangen, und die Brüder kamen irgendwie auf den Abend, also die Nacht zu sprechen, in der ihr Vater starb. Auf den Empfang eben, wo Erwin, also Herr Machallik, sein neues Rattengift vorstellen wollte, seine eigene Kreation, durch die er dann leider ums Leben kam. Und als Helmut gerade Max sagt, er habe gesehen, wie Max seinem Vater das Gift ins Glas geschüttet hat, da kommt der Herr Wolters von der Toilette zurück und hört das alles, also mit dem Verbrechen, dem Gift und diesen Dingen. Dann haben ihn die Brüder entdeckt, und dann … es ging alles so schnell …»
Mit einer Geschwindigkeit, die ihm gewiss niemand in der gesamten Berliner Polizei zugetraut hätte, war nun auch Kolbe bei der Sekretärin und hockte sich vor sie. Er drehte seinen Kopf unter ihr Gesicht und berührte mit der Nase fast ihren Mund, als er ein wenig zu laut nachhakte: «Wollen Sie damit sagen, die Machallik-Brüder haben heute Nachmittag in Ihrem Beisein und dem von Herrn Wolters den Mord an ihrem Vater gestanden?»
Erschrocken zog Frau Matthes ihr Gesicht von Kolbes weg. «Nein, natürlich nicht. Das möchte ich keinesfalls gesagt haben. Auch in jener Nacht waren alle sehr betrunken, und wenn überhaupt, war es ohne eigentliche Absicht. Es hat sich nur so ergeben, dass Max … ein bisschen …» Sie geriet ins Stocken. «Also, ich sag jetzt gar nichts mehr.»
Kolbe setzte sich mit seinem dicken Hintern auf den Boden und schnaufte. Die schnelle Bewegung war wohl doch anstrengender als vermutet gewesen. «Die beiden haben den Mord quasi ein bisschen gestanden? Wollten Sie das sagen?»
Frau Matthes verschränkte beleidigt die Arme. Man merkte deutlich, dass sie eigentlich schweigen wollte, aber es gelang ihr nicht. «Selbst wenn sie ihren Vater ermordet haben sollten, bin ich trotzdem von ihrer Unschuld
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