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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Laufe der Jahre angesammelt hatte. Sie kamen in ein kleines Zimmer von drei mal vier Metern, genau wie das, in dem er vor langer Zeit einmal gewohnt hatte. Gleich nebenan. Er musste Fredesbinda erzählen, was ihm in den letzten Jahren widerfahren war. Er fasste alles in zwei Minuten zusammen und verschwieg ihr, dass er ausgebrochen war.
    »Und was haben sie mit meiner Mutter, meinem Bruder und meiner Großmutter gemacht?«
    »Ich weiß nicht, mein Junge. Sie werden sie wohl ins Leichenschauhaus gebracht haben, was weiß ich.«
    »Ist das Zimmer abgeschlossen?«
    »Nein. Gleich darauf kam eine Familie aus Oriente und zog ein. Es sind nette Leute, wirklich. Sie stören kaum.«
    »Und wer hat ihnen den Raum gegeben?«
    »Sie kamen, zogen ein und wohnen jetzt da. Sieben sind’s. Keine Ahnung, wie sie alle in das winzige Loch passen.«
    Rey war’s egal. Einen Moment lang schwieg er. Das war dann alles? Als er gerade gehen wollte, fiel ihm die kleine Mulattin ein, die Tochter von Fredesbinda, die immer anschaffen ging, und er fragte: »Und Ihre Tochter?«
    »Ach, reden wir nicht davon.«
    »Warum denn?«
    »Hm … Sie ist in Italien.«
    »Ach ja?«
    »Sie hat einen Italiener geheiratet.«
    »Na ja, sie hat hier ja auch ganz schön anschaffen müssen, wissen Sie noch? Immerhin geht’s ihr jetzt gut.«
    »Red nicht so! Sie ging nicht anschaffen, aber sie war sehr fröhlich. Immer war sie mit den Ausländern auf irgendeiner Party … sie war sehr lustig.«
    »Hat sie Ihnen Geld geschickt?«
    »Anfangs ja, zwei Mal. Aber seit über einem Jahr habe ich jetzt nichts mehr von ihr gehört.«
    »Ach, naja, wahrscheinlich schreibt sie nicht gerne.«
    »Nein, Rey, ich kenne doch mein Töchterchen. Ihr ist etwas zugestoßen … ach, ich will gar nicht daran denken.« Und sie begann zu schluchzen.
    »Befürchten Sie nicht gleich das Schlimmste, Fredesbinda.«
    »Das tue ich auch nicht, aber ich bin ganz verzweifelt. Ich ahne, dass etwas Schlimmes geschehen ist. Das Kind liebt mich viel zu sehr, um ein Jahr nichts von sich hören zu lassen, ohne zu schreiben …«
    »Sie war klug.«
    »Ich weiß, was ich dir sage.« Fredesbinda zog die Nase hoch und wischte ihre Tränen fort.
    »Und was befürchten Sie? Dass sie tot ist?«
    »Junge, so etwas sagt man nicht! Um Gottes willen … Man munkelt, dass viele Frauen gezwungen werden … also, du weißt schon … als Huren in Nachtclubs … o Mutter Gottes!«
    Rey verharrte schweigend. Er war drauf und dran zu gehen. Fredesbinda war erst zweiundfünfzig, aber verhärmt, mager und traurig. Von den herrlichen, großen Brüsten, die er so sehr bewundert hatte, wenn er sich auf der Dachterrasse einen runterholte, waren nur noch ein paar große, schlaffe Schläuche übrig geblieben, die unter ihrer Bluse bis zur Hüfte herabhingen. Voller Pein blickte sie zu Boden und hatte Rey für einen Moment vergessen. Dann schien sie sich seiner wieder zu erinnern.
    »Du bist ganz schön schlimm dran … schlimmer als zu der Zeit, als du hier gewohnt hast.«
    Rey erwiderte nichts. Er hatte keine Lust mehr zu reden. »Ich werde dir etwas zu essen aufwärmen. Aber dusch erst mal und zieh diese verdreckten Lumpen aus. Ich hab ein paar saubere Sachen, die könnten dir passen.«
    Die Alte hatte ein mikroskopisch kleines Bad in ihrem Zimmer. Sie gab ihm einen Eimer mit kaltem Wasser, ein Stück Seife und einen Hausmantel. Er rieb sich gemächlich ab. Zwar wusch er sich nicht gern, aber manchmal tat es doch ganz gut.
    »Wasch dir schön den Kopf, damit du dir heute Nachmittag die Haare schneiden lassen kannst.«
    Rey antwortete nicht. Er dachte: »Glaubt sie etwa, ich bleibe hier?«
    Die Alte fuhr fort: »Denn … du musst nicht gleich wieder gehen. Du kannst bleiben, und morgen sehen wir dann mal, wie du dein Häuschen wiederbekommst. Ich denke, du hast ein Recht darauf.«
    »Nein. Ich habe kein Interesse daran.«
    »Na gut, aber lass dir ruhig Zeit. Du kannst ein paar Tage bleiben.«
    »Aha, die Alte will ein dickes Rohr in den Arsch, aber das hier ist eine Falle, ich kann unmöglich tagelang hier bleiben.«
    In dem Moment zog Fredesbinda den winzigen Duschvorhang aus Plastik zurück und hielt ihm eine Hose hin, die zwar verwaschen, aber in gutem Zustand war. Zugleich wanderte ihr Blick hin zu Reys Geschlecht.
    »Siehst du, gewaschen und sauber ist alles gleich ganz anders. Da, nimm ein bisschen Kölnisch Wasser … Warte, ich reib dich damit ab.«
    Unter Fredesbindas Blick spürte Rey, wie ihm der Schwanz

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