Der König von Havanna
kleine Schwarze erwachte ebenfalls. Sie streckten sich, gähnten, sahen einander an. Sie gab ihm einen Kuss, unerwartet heiter und keck.
»Was für ein hübscher Freund, um das Jahr zu beginnen! Ein Mulatte mit vollen Taschen. Wie heißt du noch? Ich hab’s vergessen.«
»Du hast es nicht vergessen. Ich habe es dir nicht gesagt.«
»Du hast es mir letzte Nacht gesagt.«
»Nichts habe ich dir gesagt. Und wie heißt du?«
»Katia.«
»Ich heiße Rey.«
»Aha.«
»Was?«
»Spendier mir was Kühles zu trinken. Ich habe einen Durst …«
»Mal sehen …« – er kramte in seinen Taschen –, »nein, ich habe keinen Centavo mehr, und offenbar … Himmel, verdammt!«
»Was ist?«
»Ich habe meinen Personalausweis verloren …«
»Mist …«
»Kein Geld und keinen Ausweis.«
»Ach, komm schon, Rey, du bist doch gut bei Kasse. Gestern Abend hattest du ein riesiges Bündel Dollars. Spendier mir eine Soda und behalte den Rum für dich. Mehr will ich nicht.«
»Ich habe kein Geld. Hör auf, mich mit deiner Soda zu nerven. Wo wohnst du?«
»Genau hier.«
»Na gut, verzieh dich jetzt, die Party ist zu Ende.«
»Ohhh, Schätzchen, sag so was nicht. Bist du verheiratet?«
»Nein.«
»Na, dann können wir doch weiter zusammenbleiben. Ich habe weder Kind noch sonst was.«
»Ich habe keine Wohnung, Kleine. Zieh schon ab, das ist besser für dich.«
»Ich gehe nicht! Gefalle ich dir?«
»Ja, natürlich. Hast du nicht gesehen, wie mein Schwanz letzte Nacht auf dich abgefahren ist? Die Perle unter meiner Haut pocht wie verrückt.«
»Klar, Schätzchen, du hast mir fast den Verstand geraubt.«
»Gibt’s bei dir was zu essen?«
»Bei mir? Du spinnst! Wir sind vierzehn und wohnen alle in einem Zimmer in einem Gebäude ganz in der Nähe, ungefähr zwei Häuserblocks von hier.«
»Also gehen wir lieber nicht hin.«
»Nein, nein, warum auch?«
Ziellos schlenderten sie umher. Katia, selig, glücklich bei Rey untergehakt, überlegte, welches Gelübde sie gegenüber Yemayá, der Jungfrau von Regla, ablegen könnte, damit dieser Mulatte mit dem Goldschwanz sie nicht verließ und sich für immer in sie verliebte. Rey seinerseits dachte daran, sie zum Schrottplatz mitzunehmen und eine Zeit lang zu zweit in dem Container zu wohnen. Die kleine Schwarze bestand nur aus Fasern und Muskeln. Nach alldem hatte er es nicht verdient, allein und verbittert zu sein. »Wie es wohl Magda ging? Wie wohl meine süße und traurige Magda in diesem Moment ihren Myrrhekranz flechten mag?« Wo hatte er denn das gehört? In der Schule?
Ein großer, schlanker, fröhlicher Mulatte kam auf sie zu, mit einer funkelnagelneuen Mütze des Reinigungsdienstes von Chicago und einer großen Goldkette mit einem Medaillon der Virgen de la Caridad del Cobre. Er begrüßte Katia mit einem Kuss.
»Du hast wohl ganz groß gefeiert!«
»Hahaha … Hier, Rey, das ist Cheo, einer meiner Brüder.«
»Sehr angenehm.«
»Hmmm.«
»Was macht ihr?«
»Nichts.«
»Ich hab da ’ne kleine Session heute Abend, kommt doch vorbei.«
»Wo?«
»In Nuevo Vedado.«
»Hmmm, ziemlich weit.«
»Komm mal her, Katia. Entschuldige uns einen Moment, Rey.«
Cheo nahm Katia ein paar Schritte beiseite.
»Hör zu, es ist eine kleine Session mit ein paar Ausländern. Zwei ältere Typen und zwei ältere Weiber, und sie zahlen gut. Sie wollen’s mal in der Gruppe treiben. Was ist mit dem Kerl? Wenn er kaputt ist, schieb ihn ab.«
»Nein, nein, er ist perfekt für so was. Sein Schwanz ist riesig, mit zwei Perlen drauf. Letzte Nacht hat er mich schier um den Verstand gebracht. Aber verarsch mich nicht, ich kenne dich …«
»Aber wo denn, reines Fair Play. Fünfzig Grüne für jeden.«
»Gib mir die Adresse. Es ist alles gesagt.«
Katia überzeugte Rey, sobald sie die fünfzig Dollar erwähnte. Um zehn Uhr abends saßen sie genüsslich bei einem Bier in einer gemütlichen zweistöckigen Villa. Die Möbel, die Vorhänge und Teppiche waren etwas verschlissen und ausgebleicht, der spärliche Nippes war vor vierzig Jahren einmal neu gewesen. An den Wänden hing eine ekletische Mischung aus Gemälden: Lam, Mariano, Portocarrero und andere moderne kubanische Meister bis hin zu einem Romañach und zahlreichen mittelmäßigen Europäern des 19. Jahrhunderts, ein Aquarell auf Papier von Dali und eine Tintenzeichnung von Picasso. Cheo ließ sie eine Stunde lang auf dem verstaubten Sofa warten, mit dem Bier, das sie in zwei Minuten ausgetrunken hatten. Die
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