Der König von Havanna
verstand man Rindfleisch, Eier, Milchpulver, Käse, Thunfisch, Langusten, Kaffee, Kakao, Butter, Seife, also eine Menge Produkte, die auf dem Schwarzmarkt zu höheren Preisen als in den Dollar-Läden zirkulierten und die es in den Läden, wo mit kubanischen Pesos bezahlt wurde, überhaupt nicht gab.
Zur gleichen Zeit, als der Polizist Rey nach seinem Ausweis fragte, bedeutete er Katia mit einer Geste, sie solle ihren Beutel aufmachen und zeigen, was sie da bei sich trug. Sie zeigte ihm den kleinen Picasso.
»Was ist das?«
»Ein kleines Bild, ein Wandschmuck für zu Hause.«
»Aha.«
Er wollte gerade wieder Rey auffordern, seinen Ausweis zu zeigen, doch einer der anderen Polizisten hatte einen Schwarzhändler mit einer Kiste ertappt, die mehrere Kilo Milchpulver enthielt. Der Polizist rief nach den anderen, damit diese ihm bei einem so gefährlichen Gesetzesbrecher Hilfe leisteten. Erleichtert atmete Rey auf und beeilte sich, auf die Pier zu kommen. In ein paar Tagen würde er siebzehn werden, und da wollte er auf der Straße sein. Obwohl das schwierig war. Jeden Tag gab es mehr Polizisten, und sie kontrollierten immer öfter. Sollte er für immer wie eine Maus, versteckt in ihrem Loch, leben? Katia holte ihn aus solchen Grübeleien. »Um ein Haar hätte ich mir in die Hosen gemacht mit diesem Polizisten.«
»Warum?«
»Du ohne Ausweis und ich mit diesem Scheißbild. Ich weiß nicht, warum Cheo diesen Mist geklaut hat. Ich hätte nicht übel Lust, es ins Wasser zu werfen.«
»Er hat dir gesagt, du sollst es für zehn Grüne für ihn aufbewahren. Das ist nicht gerade für lau.«
»Deshalb werfe ich es ja auch nicht weg.« Die kleine Fähre überquerte langsam die Bucht, bewegte sich zwischen ein paar stillen Minenlegern hindurch, auf denen niemand zu sehen war. Auf den Molen war nichts los. Der allgemeine Eindruck war der von Streik oder Rezession oder Einsamkeit. In Regla stiegen sie aus. Noch mehr Polizei. Sie betraten die Kirche. Katia nutzte die Gelegenheit, um vor dem Altar niederzuknien und inbrünstig zu beten. Rey saß auf einer Bank und beobachtete sie ungerührt, während er weiter seinen Gedanken nachhing: »Wenn ich mit einer Heiligenfigur um Almosen bettele, lassen sie mich in Ruhe. Einzig und allein als Bettler wird man aufhören, mich alle zwei Minuten nach meinem Ausweis zu fragen.«
Katia beendete ihre Gebete an Yemayá, und sie gingen hinaus und machten sich verstohlen auf den Weg zu dem vereinbarten Mietshaus. Cheo wartete schon auf sie. Er riss seiner Schwester das Bild förmlich aus den Händen.
»Gib mir das Geld, Cheo.«
»Später, ich habe im Moment nichts.«
»Sei nicht dreist, Cheo. Gib mir meine zehn Grünen. Um ein Haar hätte ich diese Scheiße hier ins Wasser geworfen. Wofür willst du das überhaupt?«
»Nimm deine zehn Scheinchen, Katia, und frag nicht so viel.«
»Du willst das Bild verkaufen. Du hast mir doch nicht umsonst zehn gezahlt.«
»Zu niemandem ein Wort, aber dieses Bildchen ist einen Haufen Geld wert, und zwar in Dollar. Und ich habe es schon an einen ausländischen Partner von mir verkauft.«
»Und wie viel gibt er dir dafür?«
»Also, er hat mir zweihundert zugesagt, aber ich werde es ihm nicht so leicht machen, mal sehen, ob er nicht dreihundert locker macht, hahaha. Dreihundert Dollar für diese gequirlte Scheiße … es stimmt schon, ich hab echten Geschäftssinn … Business ist mein Leben, Rey, Business!«
»Ich bezweifle, dass man dir so viel für dieses alberne Bildchen zahlen wird.«
»Hör zu, Rey, das ist bereits abgemacht. Der Kerl ist schier ausgeflippt, als ich ihm davon erzählte, und er hat die Möglichkeit, es problemlos außer Landes zu bringen. Leute mit Dollars leben gut, Kumpel. Kohle, Kohle, ohne Moos nichts los! Komm, gehen wir ein bisschen vor die Tür, Kumpel. Unterhalten wir uns mal über Geschäfte.« Sie verließen das Mietshaus und setzten sich auf die Bordsteinkante.
»Hör zu, Rey, ich kenne dich nicht einmal, aber du bist abgebrannt, weil du es so willst, Kumpel. Und wenn du mit meiner Schwester zusammen bist … na ja … dann muss ich dir eben helfen.«
»Ich weiß nicht, warum du das sagst.«
»Du bist jung. Aus gutem Material. Für deine hübsche Farbe zahlt man viel Geld.«
»Wovon redest du?«
»Hör zu, die Yankees sind ganz wild auf Schwarze und Mulatten. So wie ich und du. Und du hast einen Riesenschwanz, der ein Vermögen wert ist. Du hast reinstes Gold zwischen den Beinen!«
»Bist du schwul, Junge, oder
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