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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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war alle Hysterie verschwunden, und sie wurde deprimiert und weinerlich.
    »Im Namen deiner Mutter, Rey, lass mich nicht im Stich … Jeden Tag bin ich mehr in dich verliebt … Tu mir das nicht an … Ich wollte mich nicht verlieben! Warum nur … warum?«
    Und sie fing an zu schluchzen. Stirnrunzelnd sah Rey ihr zu.
    »Das sind nur Krokodilstränen. Du wirst mich nicht weich klopfen, und jetzt gehe ich, ich muss zur Arbeit.«
    Magdalena, weinend wie die heilige Magdalena, warf sich mit dem Mund nach unten auf den Strohsack. Rey ging hinaus, rüber zu Sandras Zimmer, ganz triumphierender Macho.
    »Sieh nur, wie mir diese Hexe zugesetzt hat«, sagte Sandra und zeigte ihm die vielen blauen Flecken und Kratzwunden auf Gesicht und Hals, die sie zu überschminken versuchte.
    »Gott sei Dank hat sie mir keinen Zahn ausgeschlagen. Sie prügelt sich wie ein Mann … das ist eine Wilde, überhaupt nicht weiblich. Ich weiß nicht, wie du diese Frau vögeln kannst, die ist ja wie ein verrückt gewordener Boxer, diese Scheißhexe.«
    »Sandra, hör auf, Süße! Mit deinem neuen Mann, der Schminke, dem Streit, den Schrammen, der zerrissenen Perücke und dieser Nutte von nebenan … ohhh, das ist mir in letzter Zeit echt ein bisschen viel Drama«, sagte Yamilé zu ihr.
    »Wollt ihr nun, dass ich euch rumfahre? Los jetzt, auf geht’s, ich hab keine Lust auf noch mehr Ärger mit Magda heute Abend.«
    »Wartet!«, sagte Sandra.
    »Ich bin ganz nervös und kriege meine Wimpern nicht dran. Yamilé, hilf mir!«
    Kurz darauf trat Rey die Reina runter ins Pedal, die beiden Nutten bequem auf dem Rücksitz, genoss die Abendfrische und rauchte. Beim Riviera setzte er sie ab.

 
     
     
     
     
     
    Dies wiederholte er drei Abende hintereinander. Am vierten sagte Sandra zu ihm: »Warte hier auf uns. Wenn wir in einer halben Stunde nicht zurück sind, fährst du los.«
    Sie betraten das Café Rouge. Kurze Zeit später kam Yamilé heraus, gab ihm zwanzig Dollar und wies ihm eine Adresse an. Zwanzig Minuten darauf kam Rey mit zwei Umschlägen Koks zurück. Sandra nahm sie in Empfang, gab ihm fünf Dollar und ging zurück in das elegante Café, wo man nur mit Dollars zahlen konnte. Rey nahm den grünen Schein und dachte: »Hmmm, das hier ist was anderes, hier spielt das Leben.«
    Es machte ihm Spaß, den Boten zu machen, den Koks-Kurier. Tagsüber arbeitete er wenig, und nachts unternahm er ein paar Touren. Jede davon für fünf Pesos. Nie zuvor hatte er so viel Geld gehabt. Aber wie man weiß, das Glück im Haus des Armen währt nicht lange. Eines Abends unternahm er zwei Touren. Jedes Mal brachte er fünf Dosen ins Café Rouge, und Sandra nahm sie entgegen und trug sie hinein. Bei der dritten Fahrt kam er mit sieben Umschlägen. Das Geschäft lief wie geschmiert. Es war zwei Uhr morgens. Nirgendwo in der Umgebung war eine Menschenseele zu sehen, außer zwei schläfrigen Taxifahrern und ein paar schlecht gekleideten Strichmädchen, die das Café nicht betreten durften und auf späte Kundschaft hofften. Rey übergab Sandra die Umschläge versteckt in zwei Schachteln Zigaretten. Aus einem scheinbar leeren Auto in der Nähe stiegen plötzlich zwei Kerle mit Pistolen in den Händen.
    »Keine Bewegung! Polizei! Keine Bewegung!«
    Innerhalb einer Sekunde hatten die beiden Agenten sich auf sie gestürzt. Rey gab Sandra einen Stoß und schleuderte sie gegen die Polizisten. So gewann er ein paar Sekunden und rannte auf eine Nebenstraße zu. In seinem Rücken bellten zwei Schüsse. Er lief noch schneller. Ein weiterer Schuss ertönte. Er kam zur Ecke und bog in eine dunkle Straße ein. Er rannte, als wäre der Teufel hinter seiner Seele her. Zwei Häuserblocks weiter unten wurde ein mehrstöckiges Gebäude errichtet. Er betrat die Baustelle. Auf der Straße fuhr mit großer Geschwindigkeit ein Auto vorbei. Er verbarg sich eine Weile hinter einer Wand und lauschte mit angehaltenem Atem. Stille. Dann gingen zwei Polizisten am Gebäude vorbei. »Also gut, jetzt heißt’s einen Moment warten«, dachte er. Er fing an, ein bisschen zu rechnen. Jeden Abend verdiente er zehn oder fünfzehn Dollar für seine kleinen Fahrten über fünf Häuserblocks. »Verdammt noch mal, wie schnell ist mir dieses Geschäft geplatzt.« Ein paar Minuten später machten die Polizisten eine Runde um die Hinterseite des Gebäudes. Ruhig trat Rey hinaus und spazierte durch ganz Venado. Er hatte jetzt einen Ausweis auf den Namen José Linares Correa. Drei Mal schon hatte die Polizei

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