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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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übrigen achtundfünfzig Minuten waren sie angespannt. Überwältigt von der eindrucksvollen Residenz, wagten sie nicht einmal miteinander zu sprechen und atmeten Staub und Schwüle. Ein alter Schwuler ging mehrmals quer durch den Salon an ihnen vorüber. Immer sah er sie dabei an und lächelte ihnen zu. Um elf Uhr kamen die Gäste: zwei Männer von sechzig, Dickwänste mit Uhren und Ketten aus Gold und ein bisschen angetrunken. Sie grüßten und gingen weiter in ein anderes Zimmer. Stille. Rey wurde ungeduldig.
    »Katia, ich glaube, ich gehe jetzt. Hier läuft doch irgendwas, und das passt mir nicht.«
    »Mach jetzt bloß keinen Rückzieher, es geht immerhin um fünfzig Dollar.«
    In dem Moment kam Cheo mit seiner Chicago-Mütze zurück.
    »Ich weiß jetzt, was wir machen. Wir legen Musik auf, nehmen ein paar Drinks, schwatzen miteinander, und dann gebe ich dir ein Zeichen für einen Striptease, und du machst Rey an. Du holst sein Biest heraus, und dann fängt ihr beide ein paar Ferkeleien an. Dann hole auch ich meines raus, und … na, du weißt schon.«
    » Du weißt schon was? Ich bin ein Mann, ich will keine Ferkelei von dir.«
    »Schon gut … ich verpasse ihn Katia, nichts weiter.«
    »Katia ist gar nicht deine Schwester?«
    »Vergiss es, Mann.«
    Alles verlief nach Wunsch: Musik, Rum, Bier, banale Konversation, ein paar geschnupfte Körnchen Pulver. Der Schwule, dem das Haus gehörte, und die ausländischen Schwulen waren nicht besonders anregend. Doch da war Katia, die den Apfel genoss. Das Pülverchen machte alle euphorisch, und die Schwarze erwies sich als glänzende Pornodarstellerin. Sie verstand es wie ein großer Star. Rey bekam seine Erektion und holte sein Ding raus. Cheo begeisterte sich und zog seine Hose aus. Ihm war’s egal, ob er gab oder ob’s ihm gegeben wurde. Die Schwulen beschränkten sich darauf, zuzusehen. Mehrmals versuchte Cheo zu geben oder zu empfangen, aber sie wiesen ihn zurück. Sie hatten zu viel Angst vor Tropenkrankheiten. Die Show war kurz. Die Stimmung nicht gut. Die Yankees bezahlten und gingen. Der Hausherr biss bei Cheo an, und sie gingen in ein Nebenzimmer. Ein paar Minuten darauf kam Cheo heraus, nahm das kleine Picasso-Bild, packte es in eine Plastiktüte, gab es Katia und sagte zu ihr: »Nimm das Bildchen mit nach Hause und heb es für mich auf.«
    »Und wofür willst du diese hässliche alte Scheiße?«
    »Zur Verschönerung.«
    »Zur Verschönerung? Dein Drecksloch? Ach, du spinnst doch!«
    »Pass gut darauf auf! Du darfst es auf keinen Fall verlieren. Ich zahle dir zehn grüne Scheinchen für diesen Gefallen.«
    »Na gut, dann ja.«
    »Geht jetzt, ich habe noch einen kleinen Zusatzjob zu erledigen.«
    Katia und Rey schlenderten ohne Eile hinaus in den frühen Morgen. Jeder von ihnen hatte fünfzig Dollar in der Tasche. Rey, ohne seinen Personalausweis, musste an das noch ausstehende kleine Problem vom Café Rouge denken und sagte zu Katia: »Hör zu, ich will’s mir gut gehen lassen, und es würde mir jetzt überhaupt nicht passen, auf die Polizei zu treffen. Ich suche mir jetzt in einer dieser Gassen ein Plätzchen, und morgen gehe ich weiter.«
    »Ach, ist mir auch recht.«
    Sie betraten eine dunkle, baumbestandene Gasse in der Nähe des Zoos und gingen weiter. Es gab hier kaum Häuser und kaum Lichter, nur viele Bäume. Sie suchten sich einen dicken Baum aus, setzten sich darunter, den Rücken an den Stamm gelehnt, und schliefen ein beim Gebrüll und Geschrei gelangweilter Elefanten, verblödeter Löwen, Affen und Vögel aus der ganzen Welt, die mitten in der Nacht erwachten, ihre Wälder vermissten und ihre Eisengitter beklagten sowie den Gestank fremder Scheiße und das fade, spärliche Futter.
    Sobald es hell wurde, nahmen sie ihren Fußmarsch wieder auf und ließen das Spektakel der Affen und Vögel hinter sich. Da fiel ihnen ein, dass sie ja Geld hatten und sich ein Taxi zur Anlegestelle der Regla-Fähre nehmen konnten.
    Eine halbe Stunde später stiegen sie auf der Hafenstraße gegenüber vom Fähranleger aus dem Taxi. Sie sahen ziemlich zerknautscht und schmutzig aus, unterschieden sich aber nicht von den anderen. Ein Polizist trat heran und fragte Rey nach seinen Papieren. Drei andere Polizisten taten dasselbe aufs Geratewohl bei irgendwelchen Passanten. Sie durchsuchten Taschen und Pakete und fragten nach, woher dieses und jenes stamme. Stießen sie auf irgendetwas Unnormales, verhafteten sie den Bürger und nahmen ihn mit. Unter »Unnormalem«

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