Der König Von Korsika
wie englische Gentlemen ihre Karten tauschen, aber nicht damit, daß man sie auf dieser Insel, wo sie heute Geschäfte machten, morgen angespuckt und übermorgen umarmt wurden, einfach niedermetzeln wollte.
Die Schlacht besaß nicht die Großartigkeit aufeinanderbrandender Massen, eines angreifenden Waldes von Spießen und minutenlanger Kanonaden, die die Erde erbeben ließen und ihr tiefe Wunden rissen, wie sie vor Theodors innerem Auge stand. Die genuesische Vorhut geduckt hinter zwei niedergestreckten Pferdekadavern, brennende
Fischerkaten, eine schreiend vorstürmende, weißäugige korsische Kampflinie, Mündungsblitze und feuerwerksartiges Geknatter. Bäumende Pferde und in den ersten Strahlen der über den Bergkamm steigenden Morgensonne funkelnde Säbel, immerhin.
Das wehe Muhen der Ochsen in den langen Intervallen zwischen zwei Kanonenschlägen und dann ein haßerfülltes Metzeln mit Messern und Spießen und die panische Flucht der Genueser in die Ginsterhügel, wo sie sich die Kleider zerrissen und von hinten niedergestochen wurden, oder gar ins Meer, wo sie unbeweglich, bis zu den Hüften im Wasser, stehenblieben, mit den Armen ruderten und perfekte Zielscheiben für die korsischen Schützen abgaben. Nebelschwaden von all dem verschossenen Pulver und das übliche Bild einzelner Schuhe und Mützen auf dem Schlachtfeld, das Gebrüll verendender Tiere, kniende Soldaten, die sterbenden Feinden den Hals durchschnitten und sie ausplünderten, eine pralle Morgensonne, die immer höher stieg, so daß zu Mittag bereits alles süßlich nach menschlicher und tierischer Verwesung roch. Die befreiten Fischer standen säuerlich lächelnd vor ihren verbrannten Hütten und winkten der königlichen Armee, die weiter auf Algajola zog, zaghaft Vivat.
Mehr als fünfhundert Tote und Verletzte hatte Genua in diesen Tagen zu beklagen. Theodor war bei den nachfolgenden Kämpfen und Scharmützeln schon gar nicht mehr selbst zugegen, war bereits unterwegs nach Ornetu, um die neue Münze zu gründen, seine Engländer und seinen Poeten im Troß, wogegen er Filippini, den Schlachtenmaler, der sich beklagt hatte, alles sei zu schnell gegangen, für weitere Skizzen vor Ort zurückließ.
In Gedanken saß er mit Angelina im Bett, bevor die Kampagne in der Balagna noch begonnen hatte und erzählte der kuhäugig Lauschenden von seinen Regierungsplänen und Visionen.
Er habe, obwohl Sproß eines der ältesten Adelsgeschlechter der Grafschaft Mark, lange gebraucht, um endlich ein Mittel gegen all die Clanstreitigkeiten, Vendetten, Rang- und Hahnenkämpfe seiner Untertanen zu finden: die Stiftung eines Ritterordens! Ein Ideal, bindender als alle Blutbande. Natürlich habe bei dem Gedanken auch das Beispiel der Logen eine Rolle gespielt. Was sie dazu sage. Aber sie sagte gar nichts, verstand auch vielleicht nicht alles, weder sein gestenreiches Italienisch, noch seine komplizierten Worte.
Ein Ritterorden, der an die höchsten menschlichen Tugenden appelliert, zurechtgeschnitten auf die exklusiven Korsen, Auszeichnung und Verpflichtung zugleich, ein Versuch, alle niederen Triebe im höheren Streben einzuschmelzen. Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, daß man das Ganze nicht ein wenig modernisieren müßte, schloß er eilig an, und wenn es unter anderem dazu dienen soll, die Patrizier auf meine Person zu verpflichten, muß auch etwas für sie dabei herausspringen, so gut kenne ich sie inzwischen. Das sind aber Ausgaben, die wieder hereingeholt werden können, indem man auch ausländische Monarchen und Würdenträger in den Orden aufnimmt, was ohnehin seinem Renommee zuträglich wäre, erstere kostenlos, letztere gegen ein entsprechendes Entgelt, was sagst du dazu, Jane, ist das vernünftig und verspricht Erfolg, oder ist es unsinnig?
Er war bereits im nächsten Satz, als ihm auffiel, daß er Angelina Jane genannt hatte. Natürlich redete er von Anfang an mit seiner Frau, durch die Membrane von Zeit und Raum hindurch, und benutzte seine korsische Geliebte gleichsam als Resonanzkasten, aber es laut ausgesprochen zu haben, unterbrach seinen Gedankenfluß, doch offenbar war ihr der englische Name in Theodors Redeschwall entgangen.
Schwieriger, seine Fiktion aufrechtzuerhalten, wurde es,
als Angelina nach kurzem Nachdenken tatsächlich ihre Gedanken zur Idee des Ritterordens entfaltete. Davon wollte er nichts hören, hielt ihr zärtlich die Hand auf den Mund und begann erneut, ihr – der anderen – seine Pläne darzulegen.
Warum
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