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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Karren geworfen und den Angehörigen zum Heimtransport überlassen. Die königliche Delegation kehrte in den Bischofspalast zurück.
    Es fiel Theodor ebenso schwer, der Exekution volle Wirklichkeit abzugewinnen und sich ausschließlich auf sie zu konzentrieren, wie es ihm zuvor mit seinen Familienplänen gegangen war. Schoben sich vor jene die Forderungen des Tages, so spielte in die Amtshandlung ständig die Erinnerung an die Liebe mit Angelina und in diese wiederum Gedanken an Jakob Sternhart. Denn wenn Theodor angesichts der Schwertschluckerei, die er mit dem korsischen Mädchen betrieb, an seinen alten Freund erinnert wurde, dann deswegen, weil dieser sich nach zwanzig Jahren plötzlich wieder in Erinnerung gebracht hatte.

    Ganz oben auf dem Stapel der täglich eintreffenden Bittbriefe hatte sich ein Schreiben des vormaligen preußischen Professors gefunden, dessen verschnörkelte Schrift und kongenial verschrobene, sozusagen auf dem Bauch daherrobbende und sich zugleich verneigende Anrede einer Flut von Selbstmitleid und unverschuldetem Unglück das Wehr öffneten.
    Wie Theodor gerunzelter Stirn und zuckender Mundwinkel erfuhr, hatte Sternhart aufgrund von Kollegenintrigen zunächst seine Professur verloren, dann aufgrund von Intrigen der Familie seiner Frau sein Haus und schließlich auch noch seine Gesundheit. Was vermutlich, ergänzte Theodor das an diesem Punkt einsilbige Lamento, auf Intrigen von Freudenmädchen und Geißeltierchen zurückzuführen war.
    Um alter Zeiten willen erbat der Unglückliche ein wenig finanzielle Hilfe, eine Empfehlung für eines der Fürstentümer des Reiches oder womöglich einen Posten auf der Mittelmeerinsel, von deren heroischem Befreiungskampf man jetzt überall höre und lese.
    Theodor ließ sich Papier und Feder kommen und schrieb an seinem Stehpult höchstpersönlich, man habe die Erinnerung an die aufrichtige, von Jugend an erwiesene Freundschaft in seinem Herzen bewahrt, der verehrte Herr Professor sei keinesfalls vergessen und es stehe ihm frei, auf seinen, des Königs Namen soviel Rechnung als auf sich selbst zu machen. Dieser Name werde den meisten einschlägigen Etablissements nicht unbekannt sein.
    Während der Streusand die Tinte trocknete, blickte Theodor auf seinen Brief, seine Lippen waren zu einem schmalen Strich eingesogen, und in seinen Augenwinkeln bildeten die Lachfältchen einen Strahlenkranz.
    Aber mit dem Lesen und Beantworten von Briefen war es nicht getan. In den ersten Wochen seiner Amtszeit erließ Theodor eine Generalamnestie, von der nur die Verräter an
der korsischen Sache und die Mörder aus Blutrache ausgenommen waren. Er stellte aus den Vierundzwanzig seiner Diät eine Regierung zusammen, er ordnete die Ernennung von Richtern und Anwälten an, versuchte, die ersten Ansätze zu einer Steuer- und Finanzverwaltung auf den Weg zu bringen und befahl die Aushebung einer regulären korsischen Miliz, an deren Spitze er die noch in Genuas Hand befindlichen Häfen und Festungen befreien wollte.
    Damit nicht genug, lange nicht genug, denn bereits jetzt begannen einige der korsischen Patrizier nach neuen Lieferungen an Waffen und Munition, an Saatgut und Geräten zu verlangen. Was um Himmels willen war in wenigen Wochen aus der ersten Schiffsladung geworden? Achselzucken, Lamentationen, in Ellipsen endende Erklärungsversuche. Theodor verdächtigte sie zu horten, um weiterverkaufen zu können, womöglich sogar an die schlecht ausgerüsteten und ewig hungrigen Genueser Truppen in den Forts, die zum Teil aus korsischen Freiwilligen bestanden, ganz bestimmt jedoch, um massiv Vorräte für ihre Clanstreitigkeiten zurückzulegen.
    Der König mußte mit seinen Geschäftspartnern korrespondieren, deren weitere Unterstützung von der Vertreibung der derzeitigen Herrscher abhing, die doch nur mittels zusätzlicher Waffen und Munition möglich sein würde, setzte der Schwund sich im selben Maße fort, in dem er begonnen hatte. Auch den Gedanken an die Patronage eines mächtigen Staates hatte Theodor noch nicht verworfen, wobei Spaniens Unterstützung das Reich aufbrächte und Frankreichs Hilfe oder Gegnerschaft am Geschick der genuesischen Diplomatie hing, so daß Theodor am ehesten auf England hoffte, da er nicht das Risiko eingehen wollte, etwa mit der Pforte zu paktieren. Es war jedoch völlig ausgeschlossen, in London etwas zu erreichen, ohne selbst dort vorzusprechen, und an ein Verlassen der Insel-Zitadelle war momentan nicht zu denken.

    Was ihm darüber

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