Der König Von Korsika
inflationäreren Lobpreisungen gerechtfertigt wurden. Außerdem hatte er noch ein soeben in Frankfurt am Main erschienenes Buch über sich zugesandt bekommen, eine Biografie, geschrieben von einem Menschen, von dem er noch nie gehört hatte. Unsinnig, wie sie zwangsläufig sein mußte, bedauerte Theodor dennoch, keine Zeit zu haben, sie zu lesen. Ein entfernter Vetter, den er ebenfalls nie im Leben erblickt hatte und der behauptete, über den Grafen Drost – noch ein Unbekannter, wenn auch nicht dem Namen nach, er mußte weitläufig zur Familie seiner Großmutter gehören – mit ihm verwandt zu sein, veröffentlichte in deutschen Gazetten Briefe Theodors, die jemals verfaßt zu haben er sich beim besten Willen nicht entsinnen konnte. Immerhin, dachte er, seine zu bißfestem Silber konkretisierten Träume in der geschlossenen Faust haltend, ich bin in aller Munde.
Soeben hatte er Angelina die Hand auf die Lippen gelegt, um sie daran zu hindern, mit ihren Ansichten den Dialog zwischen ihm und seiner Frau zu stören, jetzt biß sie ihn zärtlich in den Handballen, ein lustvoller Schmerz normalerweise, der Theodor erregte. Nichts davon dieses Mal, er mußte laut denken und brauchte dazu den Anblick des Mädchens, aber nur den.
Siehst du, Ideen und Gedanken und große Theoriegebäude, auch moralische Leitsätze haben mich immer gelangweilt, solange sie in Büchern stehen, deren Verfasser, das darfst du mir glauben, ihnen meist die schlechtesten Anwälte und Bürgen sind. Offenbar besitzen diese Gedanken aber doch eine Existenz für sich, ganz unabhängig von ihren Urhebern, sonst hätten sie sich mir nicht mit einem Mal wieder in Erinnerung bringen können bei meinen Überlegungen, wie dieser schönen Insel hier zu mehr Leben, Begeisterung, Produktion und Handel zu verhelfen wäre.
Was wollt Ihr an Korsika ändern, Majestät? fragte Angelina quengelnd. Es ist das schönste Land der Welt.
Nun ja, Kind, es ist in der Tat ein sehr schönes Land, es mangelt ihm nur an einer gewissen Aktivität. Kennst du denn übrigens ein anderes?
Nein, natürlich nicht, rief das Mädchen stolz, und Theodor tätschelte ihm, komplett befriedigt von der Logik seiner Antwort, die Wange.
Zum Beispiel hat Korsika die Häfen, die Bodenschätze und Früchte der Erde, eine strategisch ideale Lage im Mittelmeer, aber auf alledem sitzen leider nur deine Landsleute, die es nicht zu nutzen verstehen. Ließe man nun in großem Stil Landesfremde hier siedeln, neue Städte errichten, ihre Industrie und ihren Handel treiben, bezahlte das ganze zunächst mit den beschlagnahmten genuesischen Vermögen, die uns derzeit bereits zur Hofhaltung dienen, dann könnte das Land binnen kurzem aufblühen. Zwei Probleme:
Was wäre der Köder, sie hierherzulocken, außer der Schönheit, wie du sagst, des Landes? Das müßte die absolute und ernstgenomme Freiheit der Ausübung ihrer Religion und ihres Kultes sein. Ich wüßte keinen Juden oder Hugenotten, den das nicht interessierte...
Was, du willst Juden, Ketzer und Sarazenen ins Land holen? rief Angelina, in ihrer Empörung die intime Anrede benutzend. Wo uns Genua schon seine Zuchthäusler und Messerstecher herübergeschickt hat, gar nicht zu reden von den unseligen Griechen!
Theodor lächelte: Ich sehe schon, was da auf mich zukommt, aber ich war bei den wirklichen Problemen, und dies ist das zweite: Wie verkuppele ich die neuen Bürger des Landes mit den alten? Zahlen jene, genau wie die Griechen, ihre Steuern nicht mehr an Genua, sondern an uns, werden die Korsen ihren Nutzen schon erkennen. Diese Menschen bringen den hiesigen Kenntnisse, Geld, Brot und Devisen, und arbeiten sie erst zusammen, dann darf man getrost auf die Zeit hoffen, die alles vermischt, was nahe genug beieinander lebt. Etwas anderes sind natürlich die politischen Freiheiten dieser Leute, die so eng gefaßt werden müssen als die religiösen tolerant. Aber welcher Jude giert nach einem Staatsamt, wenn er seine Geschäfte abwickeln und seinen Sabbat heiligen darf. Die Administration soll ruhig den Korsen überlassen bleiben, dabei werden sie sich nicht überarbeiten... Andererseits erwähnt Locke das Problem der Atheisten, die nicht eidesfähig sind und keine höchstrichterliche Autorität anerkennen können. Weißt du, was Secondat mir zu diesem Thema geschrieben hat?
Angelina, der Theodors Monolog langweilig wurde, drehte sich schmollend auf den Bauch und zeigte ihm ihre hügelige Rückenansicht, aber er nahm sie gar nicht wahr.
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