Der König Von Korsika
überhaupt plauderte er im Schlafkabinett mit einer abwesenden und einer inkompetenten Frau über Dinge, die doch eigentlich bei seinen Vertrauten und Ministern, bei Paoli, Costa oder Giafferi auf viel mehr Verständnis und Interesse hätten stoßen müssen?
Die Antwort auf diese Frage erhielt er indirekt am dreißigsten Juni im Kloster von Tavagna, wo die erste Kassette randvoll mit glänzenden neuen Silbertalern bis vor seinen Reisethron geschleppt wurde, einen Klappstuhl aus Mahagoni mit Löwenköpfen am Ende der Armlehnen.
Theodor tauchte beide Hände in das Geld, zog eine der Münzen heraus und betrachtete sie wie einen Spiegel, was sie in gewisser Hinsicht ja auch war. Für das Brustbild hatte er dem Künstler einen Vormittag lang, Edikte und Gesetze unterzeichnend, im Bischofspalast von Cervioni Modell gesessen. Unter dem Königsprofil stand auf den kleineren Einheiten: T.Rex Corsicae , und auf der Rückseite fand sich ein Bild der Muttergottes mit der Unterschrift: Monstra te esse matrem . Die größeren Münzen – goldene waren mangels Gold noch nicht geprägt – trugen unter Theodors Konterfei die Zeile: Theodorus D.G. unanimi consensu electus Rex et Princeps regni Corsici . Drehte man sie um, so sah man eine von drei Palmen getragene Krone und die Worte: Prudentia et industria vincitur tyrannis . Die kleinen Kupfermünzen schließlich begnügten sich auf der Vorderseite mit dem T.Rex und versprachen auf der Rückseite: Pro bono publico Corso .
Mr. Sweeney reagierte lebendiger als die korsischen Minister, die sich offenbar über gar nichts zu enthusiasmieren vermochten, und gratulierte Theodor und seinen Beratern
zum bisher Erreichten mit den Worten: Very nice piece of teamwork, Sir!
Aber genau das war es ja, bei Lichte besehen, keineswegs, fand der König. Er dachte sich alles ganz alleine aus, hielt es eifersüchtig geheim, beredete seine Pläne und Überlegungen durch Angelina mit seiner Frau, horchte über die Grenzen von Raum, Zeit und Vernunft nach einer Antwort und präsentierte dann, mit zusammengebissenen Zähnen auf Begeisterung hoffend und Mäkelei und Widerstand gewärtigend, seine fertigen Projekte dem Kabinett.
Einerseits fühlte er sich in der Pflicht, die rettenden Ideen selbst zu gebären; ja, gewisser Weise meinte er es denen, die ihn gewählt hatten, schuldig zu sein, seine Würde und Erhöhung solcherart zu rechtfertigen und den überraschten Patriziern seine Funde zum Geschenk zu machen, um nicht zu sagen, sie ihnen zu apportieren, woraufhin es nicht mehr als legitim war, Dank und Lob zu erwarten. Aber es war nicht nur das.
Seine Heimlichtuerei war natürlich zugleich auch der Versuch, diejenigen, die ihm die Verfassung abgetrotzt hatten, zu überlisten mit fertigen Konzepten, die sie dann, mangels realistischer Alternativen, wohl oder übel absegnen mußten. Zu konzertierter Zusammenarbeit und zu vertrauensvoller Arbeitsteilung, zu teamwork , wie Sweeney es genannt hatte, besaß Theodor nicht das geringste Verhältnis.
Es ist meins, dachte er, und ich will, daß alle Welt erfahre, wer dieses Land hier – das wirklich zu studieren er sich noch immer nicht die Mühe gemacht hatte – in einem von ganz Europa mit angehaltenem Atem beobachteten Experiment zum Musterbeispiel eines modernen Staates formt.
Er wusch sich die Hände in der Geldkassette und hielt dann Sweeney und Upworth eine der Münzen wie eine Hostie entgegen: Darüber müssen Sie berichten, meine Herren! Korsika hat sein eigenes Zahlungsmittel.
Wie verhält es sich zum Pfund? fragte der kleinere der beiden Journalisten.
Ich strebe Parität an, entgegnete Theodor würdig.
Wenigstens sahen der kleine, runde Giafferi und die anderen bewegt aus.
Ich habe für diese große Stunde eine Oper geschrieben, meldete sich der venezianische Librettist, der sich Theodors Sehnsucht nach anderer Musik als den »polyphonen Eselsschreien«, wie er es nannte, zunutze gemacht und eine Charge bei Hof errungen hatte. Der deutsche Poet wandte sich maulend ab. Il re di Corsica . Es fehlt nur noch der kongeniale Komponist, den Majestät mir versprochen haben. Möchten Majestät die Szene der Verklärung einmal lesen? Der von Pegasus gezogene Phaeton des Sonnenkönigs erhebt sich in die Lüfte, die vier Elemente stimmen den Chor an...
Jaja, gewiß, aber nicht jetzt, schnitt ihn der König ab, der sich auch seinen Hofpoeten vom Leibe halten mußte, weil dessen gargantueske Mahlzeiten mit täglich hypertropheren Ergüssen und immer
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