Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
Vom Netzwerk:
hätte. Zusammen mit einem von Zeit zu Zeit, wenn er ihr zufällig näherkam, zu erahnenden Alkoholfähnlein summierte der Anblick des rötlichen Augenweißes,
der nicht vollkommen reinen, dick überschminkten Haut und der Handvoll Hühnerporen am allerdings elegant geformten und graziösen Hals sich zu einem Eindruck von – Theodor überwand sich, das Wort zu denken -, von Verlebtheit, wobei man sich wieder fragen durfte, wo wohl an diesem tristen Hof die Exzesse hätten stattfinden sollen, die eine derartige Zeichnung begründen konnten.
    Gewiß, man entdeckte ein gemeinsames Interesse an Musik und schöner Literatur, aber die Unterhaltungen darüber versandeten im Zitieren.
    Why are you so sullen? rief ein enervierter Theodor eines Tages beim Spazierengehen aus.
    It’s a sullen life , antwortete Jane lakonisch.
    Aber trübe und mißmutig waren nicht in erster Linie das Leben und die irische Gräfin, sondern vor allem die Stimmung des Freiers, der im Männergespräch mit Ripperda noch so stolz gewesen war, eine Vernunftentscheidung getroffen zu haben, und sich jetzt unwillig und unfähig fühlte, sie in die Tat umzusetzen.
    Vernunftgründe, das setzte er unwillkürlich mit Mangel an Phantasie gleich und beschränkte seine Bemühungen daher eingedenk der alten Bankiersweisheit On ne prête qu’aux riches darauf, seine finanziellen Muskeln spielen zu lassen und Jane Ormond zu Kutschfahrten, für die sie Interesse – Leidenschaft wäre zu viel gesagt – gezeigt hatte, und ins Theater einzuladen.
    Es war noch kein Wort von Heirat gefallen, und wenn er gehofft hatte, die Hofdame werde ihm einen Anlaß für einen Antrag geben oder womöglich selbst auf das Thema zu sprechen kommen, das doch ganz offensichtlich, wenn auch unausgesprochen, der einzige Grund war, sich miteinander zu langweilen, fand er sich getäuscht. Lady Ormond saß in ihren gemeinsamen Nachmittagen wie in einer schlechten Oper, und es war unklar, ob sie die Vorstellung nur aus Höflichkeit gegen ihren Gastgeber nicht vor der
Zeit verließ oder weil sie sich doch noch ein funkensprühendes Finale erhoffte.
    Es waren die diplomatischen Erfolge des holländischen Premierministers mit dem weißblonden Haarschopf, die Theodor auf den Gedanken gebracht hatten, seinem Leben durch einen Eheschluß Gewicht und Statur zu verleihen.
    Was Alberoni mit Gewalt und militärischen Mitteln mißlungen war – wobei es zugegebenermaßen ein Kunststück genannt werden mußte, die leidenschaftlichen Ausbrüche der Farnese in politicis richtig zu interpretieren, sodann in Strategien zu kanalisieren und schließlich ihr selbst die Resultate und Fortschritte so zu »verkaufen«, daß sie sie guthieß -, schien Ripperda mit diskreten Verhandlungen zu glücken, in denen wiederum Theodor eine wichtige Rolle spielte.
    Das Boot, in dem sie alle saßen, das spanische Königreich, schwankte währenddessen bedenklich, und zwar weniger in politischen Stürmen als aufgrund des depressiven Königs, der von innen die Axt ans Holz setzte.
    Zur selben Zeit, als Ripperda begann, in Wien für eine zukünftige bourbonische Herrschaft über Parma und Piacenza zu werben und zu intrigieren, erklärte Philippe, die Bürden der Herrschaft zugunsten seines minderjährigen Sohnes ablegen und sich einem Leben der Buße und Meditation verschreiben zu wollen.
    Mein lieber Neuhoff, was sagen Sie dazu? fragte Ripperda eines Morgens, direkt aus dem Kabinett der Farnese kommend. Die Bartstoppeln auf seinem Gesicht sahen aus wie leichter Schimmelbefall auf zu lange liegengebliebenem Schweinefleisch. Ist es ernst gemeint, will er diesmal wirklich nicht mehr und hält sich für Karl V.? Ein Mann mit einem Willen ist er ja, wenn ich Elisabeth glauben darf, seit Jahren nicht gewesen. Oder ist er raffinierter, als wir denken, und legt die Krone hier ab, um sie jenseits der Pyrenäen um so leichter aufgesetzt zu bekommen?

    Haben Sie den Brief Daubentons abgefangen? fragte der Baron.
    Abgefangen nicht, aber gelesen. Der verdammte Jesuit! Schreibt Orléans haarklein auf, was sein Beichtkind ihm verraten hat, in der Hoffnung, der Onkel bringe den Neffen zur Vernunft und der Beichtvater behalte seine Macht.
    Um so besser, meinte Theodor. Denn jener wird das nicht tun und damit letzteren zu Fall bringen. Zwei Fliegen mit einer Klappe...
    Tatsächlich löste das Problem sich noch im Laufe des Jahres durch den Tod des Infanten, aber die gesamte Situation – die wacklige Herrschaft und das gefährliche Spiel

Weitere Kostenlose Bücher