Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
Vom Netzwerk:
Glücksprismen: Jane in der großen Küche in einem taubenblauen Schürzenkleid, durch das Kreuzfenster fiel Licht herein, in dem die Kalksteinmauern safrangelb leuchteten, die von der Decke hängenden Körbe in ihren abgestuften Tönen von Aschegrau über Kastanienbraun bis zur Farbe reifen Weizens bildeten eine Art bauchiges Fischernetz, auf den Regalbrettern reihten sich Steingutvasen und Käsesiebe aneinander, neben dem Kamin hingen rötlich schimmernd die kupfernen braseros , und Jane goß aus einem graublauen, zu ihrem Kleid passenden Krug Milch in einen Becher. Einige Tropfen gingen daneben und glänzten wie Perlen auf der gescheuerten Tischplatte, Janes Kopf war leicht schräg gehalten, parallel zur Neigung des Krugs, ihr Haar fiel links und rechts von ihrem Ohr hinab, das an eine Kamee erinnerte.
    Oder einer der ruhigen Abende am Kamin, wenn draußen vielleicht noch, je nach Jahreszeit – die Stunde der Fledermäuse war gerade vorüber – letztes Grillengezirp oder die Triller einer Nachtigall ertönten. Jane saß, den Stickrahmen auf den geschlossenen Knien, da, das Profil ihres Rükkens bildete, hinauf zu den Schultern, dem Nacken, dem Hals, dem Hinterkopf, eine feine, mit Kohlestift gezeichnete Linie, die Theodor selbstvergessen mit einer Hand in der Luft nachzog. Er hatte einen Packen Zeitschriften neben sich liegen und las ihr vor, zum Beispiel aus dem »Hamburger Relations-Courir«, und sie blickte von ihrer Arbeit auf und sah ihn aufmerksam an, mit leicht gehobenen Brauen, die Lippen einen Spalt geöffnet.
    In solchen Momenten mußte er an ihr lautes Gelächter im engen Kreis der Männer in Madrid denken. Heute hatte jenes Lachen einem zarten, verstehenden Lächeln Platz gemacht. War sie auch glücklich? Sie sagte öfter: Aber ewig
bleiben wir nicht hier in dem Loch, dabei war sie es, die in der Herrnhuter Schule unterrichtete, zweimal wöchentlich das Waisenhaus besuchte, Rosenspaliere pflegte, die ein Menschenalter überdauerten, und im Gegensatz zu ihm alle Bauern, alles Gesinde, all die Herrnhuter Siedler und ihre Familien, all die Prediger mit Namen kannte und auseinanderhielt, während er immer weniger unternahm und ihr bei ihren schön und säuberlich ausgeführten Tagesaktivitäten behaglich und beglückt zusah.
    Sein Blick auf Jane ging in die Tiefe der Zeit, und mit leisem Traumschrecken sah er sie, im schwarzen Kleid, das Haar im Nacken verknotet, zwei leere Körbe in der Hand, mit gefaßt-gelöstem Gesichtsausdruck aus dem Herrnhuter Waisenhaus treten wie jede Woche – beinahe wäre er auf sie zugelaufen wie damals, wie vor langer, langer Zeit, und hätte ihre Beine umfaßt und den Kopf im raschelnden Stoff vergraben, beinahe spürte er die kühle, ihn zur Beherrschung mahnende Hand auf seinem Schopf.
    Woran denkst du? fragte Jane, wenn er zu lange ins Leere starrte.
    Daran, daß ich dich schon immer geliebt habe, antwortete er.
    Das ist schön, und woran noch?
    An Nikolaus, sagte Theodor. Er übt sich so sehr in Güte, daß er Schwielen an der Seele haben muß, wie andere, die zu viel reiten, am Hintern.
    Er stellte oft Vergleiche an zwischen der Religiosität Zinzendorfs und der seines Schwagers Trévoux und setzte die beiden dabei unwillkürlich wie ältere, ernsthafte Menschen von sich selbst ab, mußte sich dann aber immer wieder ein wenig schockiert ins Gedächtnis rufen, daß Nikolaus sechs Jahre jünger war als er selbst. Er war es derart gewohnt, überall der Jüngste oder doch zumindest der Jüngere zu sein, ein Knabe fast, der räderschlagend an den Erwachsenen vorübertollte, die ihre Arbeit zum Stillhalten
an einem Ort zwang, daß es ihm, der immer in der Erwartung gelebt hatte, die Zukunft werde sein Schicksal einst in die ihm gemäße Form gießen, kaum glaublich und erschreckend erschien, daß nun schon Jüngere etwas Sichtbares, Funktionierendes, Geplantes erbaut und geleistet hatten, während er seinem Götterparkett den Landedelmann vorspielte und sich fragte, ob man ihm in seinem Kostüm in England abgeschauter und aus England importierter Woll- und Tweedstoffe, Filzhüte, Samtcordbreeches auch diesmal wieder zur glücklichen Fügung seines Lebens gratulieren werde.
    Trévoux las Augustinus und ging hinterher auf die Jagd oder schlemmte. Er liebte die Begegnung mit großen Gedanken wie andere Leute die mit großen Männern, als bliebe nach der Umarmung etwas vom Glitzerstaub des Erhabenen auch auf seinen Schultern zurück, er ergötzte sich an der Sprache der

Weitere Kostenlose Bücher