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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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nur die Oper leitete, sondern auch Musikdirektor der fünf Hauptkirchen, Kantor am Johanneum und wer weiß was noch alles war.
    Beim Souper danach scherzte Telemann selbst darüber: Ich habe drei Hüte zu Hause, ein Barett als Kirchenmusiker, eine Narrenkappe als Hofkomponist und als Operndirektor eine riesige Wollmütze, mit der ich nach den Vorstellungen durchs Theater gehe und milde Gaben sammle, damit uns nicht eines Tages der morsche Schnürlboden auf den Schädel fällt. Die Hamburger sind ein raffiniertes Volk, sie haben sich gesagt, ein Mann kann nur ein Gehalt verlangen, auch wenn er fünf Berufe ausübt, da dürfen sie sich denn auch nicht beklagen, wenn sich meine Orgelkonzerte anhören wie Tafelmusiken und die wiederum wie neapolitanische Opern... Aber das ist das Schöne an unserer mathematischen Kabbalistik, keiner traut sich, einem hineinzureden, weil niemand die Sprache der Musik beherrscht, jedenfalls keiner von denen, die unsereinen bezahlen. Was bin ich froh, kein Dichter zu sein. Jeder, der einmal das Alphabet gelernt hat, hält sich für berufen, ihm zu sagen, er beherrsche seine eigene Sprache nicht... Ich hoffe doch, Ihnen als Ehepaar ist die Geschichte nicht zu nahe getreten, aber ich versichere Sie: Der fette alte Pimpinone, das ist Hamburg, und die unschuldige Vespetta, das bin natürlich ich selbst... Im übrigen, haben Sie gesehen, womit das Hamburger Publikum sich in meinen Opern unterhält? Mit Kartenspielen!

    Nicht alle, entgegnete Theodor. Drei der Herren an jenem Kartentisch blickten so fasziniert auf die Bühne, daß der Vierte in aller Ruhe seine Trümpfe aus dem Ärmel ziehen konnte!
    Wie haben Sie das sehen können? fragte Telemann mit gespieltem Schmollen. Ich dachte, wenigstens Sie wären ein wahrer Melomane.
    Das bin ich zu meinem Unglück auch. Ich war einer von den Dreien!
    Der Musiker lachte. Leider bin ich nicht am Gewinn beteiligt.
    Verglichen mit Venedig ist’s hier sehr zivilisiert, sagte Theodor. Dort wurden andere Geschäfte verrichtet während der Aufführung.
    Nun ja, bei mir essen sie, und so lange, bis die Verdauung einsetzt, reichen meine Noten nicht.
    Vielleicht mißverstehen sie ja den Ruf Telemanns als Gottes Leibmusikant...
    Der Gastgeber verneigte sich lächelnd. Sein väterlich wohlwollender Blick auf das Stück Fleisch auf seiner Gabel machte auch den anderen Appetit. Er speiste gerne mit einer Handvoll ausgewählter Gäste, nicht zu vielen, so daß er die Übersicht behielt und mit jedem reden konnte. Er gehörte zu den Menschen, und das nahm Theodor sogleich für ihn ein, bei denen mit dem Erfolg auch die Bescheidenheit wächst.
    Natürlich, erklärte er, sonst würden die Menschen einen mit Recht hassen. Glück haben und außerdem auch noch recht behalten wollen, das ist mehr als ein guter Christenmensch ertragen kann...
    Beim Abschied sagte Telemann: Und lassen Sie sich auf keinen Fall entgehen, einmal den Kantor Bach in Leipzig zu hören. Ich halte große Stücke auf ihn und habe auch selbst das meine dazu getan, damit die Stadt ihn mit diesem Posten ehrt, für den sie eigentlich mich holen wollte.
Aber was soll ich denn noch alles tun? Um so mehr, als er es besser kann als ich. Vergessen Sie’s aber nicht. Er ist wirklich ein konkurrenzloser Orgelvirtuose!
     
    Es war ein Abend im Februar 1732, zu Beginn ihres sechsten Jahres in der Lausitz. Am Morgen war das hallende metallische Schreien in der Luft gewesen, und man war aus dem Haus getreten und blickte den fliegenden Pilgerzügen nach.
    Da es in der Nacht geregnet hatte, lag ein intensiver Duft nach Humus und Gärung in der Luft. Der Sargdeckel der Erdkruste wurde porös, und erstes Grün brach durch. Die Zinzendorfs waren zum high tea zu Besuch gewesen, und trotz Nikolaus’ Sorgen mit der Regierung war die Unterhaltung angeregt und heiter verlaufen. Nun war das Paar abgefahren, und die Stunde der Fledermäuse schon vorüber. Im Kamin brannte ein Feuer. Der große, in blaßblauen und warmgelben Tönen gehaltene Salon lag im Flackerdämmer der spielenden Flammen. Der Hund trocknete im Halbschlaf vor dem Feuer, Schnauze und Körper flach am Boden, zusammengerollt, wie um sich möglichst dicht um sein eigenes Zentrum zu sammeln. Ab und zu, wenn es im Kamin knisterte oder leise knallte, schlug er ein Auge auf. Das Gesinde hatte sich zurückgezogen.
    Jane saß in einem schwarzen Kleid auf der Chaiselongue und summte eine Melodie. Sie trug ihr Haar in einem Knoten, an den leicht ergrauenden Schläfen

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