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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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wie alle Frauen war Hatschepsut äußerst mitteilsam. Aber anders als heute ließ sie alles Erwähnenswerte in Stein schlagen. Ich bin überzeugt, wenn dieser Tempel erst einmal ausgegraben ist, wissen wir über die Pharaonin Hatschepsut beinahe ebenso viel wie über Queen Victoria.«
    »Und wieviel Zeit haben Sie für dieses Unternehmen veranschlagt?«
    »Das ist vor allem eine Frage des Geldes, Mr. Carter. Ich bin nicht sicher, ob es mir zu Lebzeiten vergönnt sein wird, dieses Werk zu vollenden.«
    Von der anderen Seite des Tempels hörte man Navilles Assistenten rufen. Zur Verstärkung seiner Stimme gebrauchte er eine Flüstertüte, einen länglichen Blechtrichter mit einem Haltegriff. Naville wurde zu einer Fundstelle gerufen: »Ich darf mich entschuldigen«, sagte er knapp, als sei er soeben in die Wirklichkeit zurückgekehrt. »Wie gesagt, sollte sich irgend etwas ergeben, würde ich Ihnen eine Nachricht zukommen lassen. Wie hieß doch Ihr feudales Hotel?«
    »Maamura Palace, Sir.«
    »Ach ja, Maamura Palace. Also dann!«
    Naville entfernte sich ohne einen Händedruck, und obwohl sein Verhalten gegenüber Carter nicht gerade zuvorkommend gewesen war, konnte Howard sich der Faszination des Ausgräbers nicht entziehen. Naville trug das Feuer der Begeisterung in sich, das einen guten Ausgräber ausmacht. Damit ähnelte er Petrie, Howards Lehrmeister. Aber auch wenn dies die einzige Ähnlichkeit sein mochte und wenn sein Charakter alles andere als einnehmend war, bewunderte er ihn ohne Vorbehalt.
    Auf dem Rückweg zur Nilfähre, den er schweigend auf Mohammeds Esel zurücklegte, kreisten seine Gedanken um Brugschs Verschwinden und das der geheimnisvollen Frau. Warum hatte er ihn belogen, warum hatte er ihm verheimlicht, daß er die Frau kannte? Machte Sarah mit einem Gauner gemeinsame Sache? Warum ließ sie sich zu einem so hinterhältigen Versteckspiel hinreißen? Carter zweifelte, er zweifelte an sich, an Sarah und daran, ob sie ihn überhaupt je geliebt hatte.
    Am nächsten Tag – die Nacht hatte er nur im Halbschlaf verbracht, weil der Lärm von der nahen Bahnhofsstraße nicht enden wollte – zog Howard den Tropenanzug an, den Lady Margaret ihm mitgegeben hatte. Er paßte mehr schlecht als recht, aber für sein Vorhaben war das Kleidungsstück unumgänglich.
    Carter hatte ein Dutzend Visitenkarten gezeichnet mit der Aufschrift: Howard Carter, Animal painter, Hotel Maamura Palace, Luxor. Morgens begab er sich zum Hotel »Winter Palace« an der Corniche. Die Fassade des ockerfarbenen Gebäudes lag um diese Zeit im Schatten und verbreitete zur Straße hin angenehme Kühle. In den dem Hotel vorgelagerten Geschäften erwachte das Leben. Auf der Hotelterrasse darüber wurde den feinen Gästen das Frühstück serviert. Mit seinen Malutensilien unter dem Arm nahm Howard die einundzwanzig Stufen zum höher gelegenen Hoteleingang und verschwand in der Drehtüre.
    Ein Palast konnte nicht schöner sein, und beinahe hätte Carter auf dem Absatz kehrt gemacht vor so viel Vornehmheit, aber dann betrachtete er sich in einem der blinkenden Wandspiegel, und er befand sein Äußeres durchaus der zur Schau getragenen Noblesse angemessen. Sechs quadratische Säulen markierten die Mitte des Saales, wo im Schnittpunkt der Diagonalen ein runder marmorner Tisch stand, getragen von vier geschwungenen Fischleibern. Auf der dem Eingang gegenüberliegenden Seite ging linker Hand eine Treppe nach oben zu einer Empore, von der ein mit elektrischem Strom betriebener Kristalllüster hing. Noch nie hatte Howard eine so prachtvolle Beleuchtung gesehen. Durch eine Drehtüre unter der Empore blickte man in den Park. Sechs Stufen in der Mitte der linken Seite der Halle führten zu den Zimmern 122 bis 140. So stand es auf einem Schild zu lesen, das rechts neben der verglasten Schwingtüre angebracht war. Die Portiersloge auf der rechten Seite war aus kostbaren afrikanischen Hölzern gezimmert und ähnelte der Einrichtung vornehmer Londoner Clubs. Der Empfangschef trug einen schwarzen Anzug und einen roten Fes auf dem Kopf und machte vor Howard eine artige Verbeugung.
    Mit der blasierten Selbstverständlichkeit eines Hotelgastes passierte Howard die Portiersloge, nahm rechter Hand ein paar Stufen und gelangte in einen langen Gang, von dem mehrere Glastüren in das Restaurant führten. Carter wehte der Duft von Kaffee und gebratenem Speck entgegen. Im Restaurant hielten sich nur drei alleinreisende alte Damen auf, die übrigen Hotelgäste zogen es

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