Der König von Luxor
vor, das Frühstück im Freien einzunehmen. Also begab sich Howard auf die Terrasse, von der man eine prächtige Aussicht auf den Nil und das jenseitige Ufer hatte.
Carters Erscheinen fiel nicht weiter auf. In seinem weißen Tropenanzug unterschied er sich kaum von den übrigen Herren in diesem Hotel. Er musterte die Gäste mit kritischem Blick, vor allem die Damen, die aussahen, als reisten sie nie ohne Hündchen oder Katze. Zielgerichtet näherte er sich denen, die er sich für seine Zwecke ausgeguckt hatte, stellte sich als Tiermaler von Rang vor und erbot sich, die kleinen Lieblinge zu porträtieren.
Für seine Arbeit fand Carter durchaus Interesse, und er hinterließ jeweils seine Visitenkarte. Nach kurzer Zeit hatte er bis auf eine alle Karten verteilt, und er dachte daran, die letzte samt einem Bakschisch beim Portier des Hotels zu hinterlassen, als sich an einem der Tische ein Mann umdrehte, der ihm bisher den Rücken zugekehrt hatte.
»Mister Brugsch!« rief Howard erstaunt.
Und der meinte nicht weniger verwundert: »Mister Carter, Sie hier? Ich habe Sie nicht erkannt.«
In der Tat war Howard kaum wiederzuerkennen. Sein weißer Anzug verlieh ihm das Aussehen eines Herrn aus besseren Kreisen. Aber auch Brugsch hatte sich verändert: Er trug eine weiße Galabija und einen Fes, unter dem er seine blonden Haare versteckte.
»Ich habe Sie auf dem Schiff gesucht wie eine Stecknadel«, begann Carter ohne Umschweife. »Warum ließen Sie sich verleugnen? Warum haben Sie in Kena den Dampfer verlassen, ohne ein Wort zu sagen, Mr. Brugsch?«
Brugsch setzte ein falsches Lächeln auf. »Mister Carter, ich bin doch wohl nicht verpflichtet, Sie über jedes Vorhaben zu informieren. Aber wenn Sie es genau wissen wollen, wichtige Geschäfte riefen mich nach Kena – wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Es ist mir einerlei, wo und wann Sie welches Schiff verlassen«, erwiderte Carter wütend, »mir ging es nur um meine Mappe mit den Zeichnungen von Amarna.«
»Haben Sie sie etwa nicht gefunden?« Brugsch legte die Stirn in Falten, als wollte er zeigen, wie ernst er die Angelegenheit nahm.
»Bedauere nein, Mr. Brugsch. Sie muß noch in Ihrem Besitz sein. Ich fordere Sie auf, mir die Mappe zurückzugeben!«
»Holla, holla!« rief da der verkleidete Deutsche. »Ich habe Ihre Zeichnungen in meiner Kabine zurückgelassen und den Kapitän gebeten, sie Ihnen auf Verlangen auszuhändigen. Hat er es etwa nicht getan?«
»Nein, Mister Brugsch. Ich glaube Ihnen die Geschichte auch nicht. Ich bin überzeugt, Sie haben die Pläne noch immer in Ihrem Besitz.«
»Wollen Sie damit sagen, daß ich ein Lügner bin?«
Howard verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Umstände lassen keinen anderen Schluß zu, Mister Brugsch. Gerade Ihnen brauche ich nicht zu sagen, daß die Pläne für Grabräuber einen unschätzbaren Wert darstellen.«
Brugsch knallte seine Teetasse auf den Unterteller, daß die anderen Hotelgäste aufschreckten, und mit rotem Kopf und in heftiger Erregung rief er: »Das ist eine Unverschämtheit! Ich bin Kurator des Ägyptischen Museums, ich habe es nicht nötig, Ausgrabungspläne zu stehlen. Merken Sie sich das, und jetzt verschwinden Sie auf der Stelle. Sonst lasse ich Sie hinauswerfen!«
Carter wußte inzwischen zuviel über diesen Mann, um sich von seiner forschen Art einschüchtern zu lassen. Er ging nun seinerseits zum Angriff über und drohte dem Deutschen: »Mr. Brugsch, wenn Sie die Pläne bis morgen nicht beigebracht haben, erstatte ich Anzeige und übergebe den Fall der Polizei.«
Das brachte den Mann so sehr in Rage, daß er zwei Lakaien, die sich aus unersichtlichem Grund wie zufällig in seiner Nähe aufhielten, zu Hilfe rief: »Schafft mir den Engländer vom Hals. Er hat hier im Hotel nichts zu suchen. Sein Name ist Carter, er ist ein Gauner und Dieb. Meine Damen und Herren, achten Sie auf Ihre Wertsachen!«
Plötzlich brach auf der Terrasse des Hotels Panik aus. Männer sprangen auf, um sich in Sicherheit zu bringen, vornehme Damen tasteten vorsichtig nach ihrem Schmuck, im Nu war Carter von Hoteldienern umstellt. Ein Kerl wie ein Kleiderschrank bog Howards Arme auf den Rücken und rief, obwohl der vermeintliche Delinquent keine Gegenwehr leistete, erst um Hilfe und darauf nach der Polizei. Innerhalb von fünf Minuten befand sich das ganze Hotel in Aufruhr, als ob der Mudir einem Mordanschlag zum Opfer gefallen wäre. Nur Brugsch, der den Tumult angezettelt hatte, war verschwunden.
Hamdi-Bey,
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