Der König von Luxor
Morgengrauen plazierte sich Howard mit seinem Koffer steuerbord in der Nähe des Ausgangs.
Howard hatte viel von Luxor gehört, von der eleganten Uferpromenade, den mondänen Hotels und eleganten Geschäften, welche Berühmtheiten und reiche Leute aus aller Welt anzogen wie die Motten das Licht. Doch so früh am Morgen, als sich der Steamer der Anlegestelle näherte, wirkte Luxor ein bißchen schäbig und seine Menschen eher ärmlich. Das hatte natürlich seinen Grund. Zu so früher Stunde waren nur bettelnde Kinder, Kofferträger und Eseltreiber unterwegs.
Wie geplant verließ Carter als einer der ersten das Schiff und suchte nach einer Stelle, von der aus er den Bootssteg im Auge behalten konnte. Keine leichte Aufgabe angesichts der zahlreichen Passagiere, Träger und Diener, die sich schiebend, schubsend und stoßend vorwärts bewegten, während vom Ufer bereits die ersten aufs Schiff drängten.
Zwanzig Minuten mochten vergangen sein, als der Menschenstrom seine Richtung änderte. Weder Sarah noch Mr. Brugsch waren erschienen. In seiner Ratlosigkeit ließ Carter den Koffer stehen und begab sich auf den Dampfer zurück, um nach dem Verbleib der Gesuchten zu forschen.
Auf seine Frage reagierte der Matrose, dem er während der Reise mehrmals begegnet war, mit einem Achselzucken. Erst nachdem er ihm einen Piaster zugesteckt hatte, wollte er sich daran erinnern, daß der Deutsche und die feine Lady den Dampfer in der Nacht bei einem Zwischenstop in Kena verlassen hatten.
»Und meine Mappe mit den Zeichnungen?« rief Carter aufgebracht. »Ich habe sie Brugsch zur Aufbewahrung gegeben.«
Der Matrose schüttelte den Kopf und hob beide Hände: »Inschallah, Mister, wenn es Gott gefällt.«
K APITEL 15
Der Eseltreiber, den Carter an der Nillände anheuerte und nach einer billigen Pension fragte, dachte nicht lange nach und sagte: »Maamura Palace, Mister!«
»Hör zu«, wiederholte Howard, »ich suche die billigste Absteige in Luxor. Eine teure kann ich mir nicht leisten. Ich bin zwar ein Europäer, aber ein Mann ohne Arbeit. Verstehst du?«
»Mister ohne Arbeit«, nickte der Eseltreiber mitfühlend, »Maamura Palace.«
Das Hotel in einer Seitenstraße der Sharia al-Mahatta, die zum Bahnhof führt, erwies sich als weit weniger pompös, als der prunkvolle Name vermuten ließ. Jedenfalls hatte es nur zwei Fenster zur Straße hin in jedem Stockwerk und ebenso wenig Zimmer. Immerhin war das Haus vier Stockwerke hoch, eingezwängt zwischen einer Lederwarenfabrik und einem Geschäftshaus; auf jeden Fall bezahlbar, auch für einen Mann in bescheidenen Verhältnissen.
Von Amarna war Howard an Genügsamkeit gewöhnt, und so konnte ihn die karge Möblierung des Zimmers, ein Bett aus verrostetem Eisen mit einer muffigen Matratze, ein Stuhl und ein Tisch mit einer Porzellanschüssel und eine hölzerne Kleider Stange, die von einer Wand zur anderen reichte, nicht schrecken. Befremdend wirkte dagegen die Zimmertüre, die knapp einen Meter hoch und in Rumpfhöhe angebracht war, so daß man selbst in geschlossenem Zustand unten hindurchkriechen oder oben darübersteigen konnte. Wie sich herausstellen sollte, nicht gerade ein Vorteil.
Noch am Tag seiner Ankunft machte sich Howard Carter auf den Weg zum westlichen Nilufer. Dort wartete eine Herde Eseltreiber mit ihren Tieren, und als Carter fragte, wer ihn zu Edouard Naville bringen könnte, begann eine wilde Keilerei, weil jeder in eine andere Richtung zeigte und beteuerte, er sei mit dem Doktor persönlich bekannt, nur er wisse, wo Naville sich gerade aufhalte, im übrigen sei er der Billigste von allen. Ein junger Eseltreiber, der ein lustiges Englisch sprach, das er von einer Französin gelernt hatte, der sonst aber einen vertrauenswürdigen Eindruck machte, erhielt schließlich den Zuschlag. Mohammed, so hieß der Eseltreiber, trieb das Tier mit Howard auf dem Rücken im Laufschritt durch das fruchtbare Grünland, überquerte einen Kanal auf einem Baumstamm, der als Brücke diente, und gelangte nach einer Stunde in das Dorf Kurna, eine Ansammlung von etwa dreißig bunten Häusern inmitten welliger Sand- und Gesteinshügel. Wie überall in der Gegend hatten die Fenster kein Glas, sondern nur hölzerne Läden von grüner oder brauner Farbe. Die Eingänge waren mit Lumpen verhängt.
Etwas abseits der alten Häuser des Dorfes hatte Naville ein Grabungshaus erbauen lassen, ein stattliches Gebäude aus festem Ziegelwerk und einer Mauer zum Schutz vor unerwünschten
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