Der König von Luxor
letzter Kraft: »Sagen Sie, daß es nicht wahr ist!« Dann sank er schluchzend zu Boden und vergrub sein Gesicht in den Armen.
Auch Carter war am Ende seiner Kräfte. Mit unvorstellbarem Aufwand – von den Kosten ganz zu schweigen – hatten sie sich zweihundert Meter tief in das brüchige Gestein gewühlt, mehr als einmal ihr Leben aufs Spiel gesetzt, und ihr einziger Erfolg war die Erkenntnis, daß auch dieses Grab schon in alter Zeit von Räubern heimgesucht worden war. Howard schämte sich, er schämte sich für seinen Mißerfolg. Schließlich war es seine Idee gewesen, gerade an dieser Stelle zu graben. Dazu hatte er die peinliche Maskerade auf sich genommen, sich als Scheich verkleidet und tagtäglich Angst ausgestanden, entdeckt zu werden.
Apathisch, als stünde er unter dem Einfluß einer Droge, holte Howard die Glühlampe von der Wand, zog das Stromkabel hinter sich her und leuchtete in das Innere der Grabkammer. Ein schmuckloser Raum, etwa fünf mal zehn Meter, in der Mitte von drei Säulen abgestützt, und rechter Hand ein aufgebrochener Sarkophag, der Deckel an die Wand gelehnt.
Davis trat hinzu, spähte durch das Mauerloch und sah Carter fragend an.
Carter blieb stumm. Er schüttelte nur den Kopf. Schließlich kletterten sie in das Innere der Kammer.
Der Steinsarkophag war leer und mit Hieroglyphen beschriftet, und Howard ging mit der Lampe ganz nahe heran. Plötzlich hielt er inne. »Mr. Davis«, flüsterte er aufgeregt, »sehen Sie diesen Namensring?«
»Ja. Was hat er zu bedeuten?«
»Er bedeutet: Chnemetamun Hatschepsut.«
»Hatschepsut? Ich dachte, das Grab der Königin Hatschepsut ist bereits gefunden!«
»Stimmt, Mr. Davis. Offensichtlich war der eigenwilligen Königin das erste Grab nicht sicher genug, so daß sie sich gegen Ende ihrer Regierungszeit – sie herrschte mehr als zwanzig Jahre – dieses vermeintlich unerreichbare Versteck in den Fels schlagen ließ, zweihundert Meter tief in der Erde. Trotzdem waren alle Anstrengungen vergeblich – wie man sieht.«
Davis zupfte Carter am Ärmel. »Dort in der Ecke steht ein zweiter Steinsarkophag!«
Howard wandte sich um. In der Aufregung hatte er es versäumt, sich in der Grabkammer näher umzusehen. Mit der Lampe in der Hand näherte er sich dem steinernen Trog. Auch er war leer, auch er trug eine kunstvolle Beschriftung.
»Das war Thutmosis’ letzte Ruhestätte«, sagte er, nachdem er die Hieroglyphen eingehend geprüft hatte. »Der erste Thutmosis war Hatschepsuts Vater.«
Carter und Davis hatten sich schon viel zu lange im Staub und der dünnen Luft unter Tage aufgehalten. »Kommen Sie!« meinte Howard und schob den Amerikaner, der in unregelmäßigen Abständen nach Luft schnappte, vor sich her. Entkräftet erreichten sie das Tageslicht, wo Weigall und Ayrton sie mit Fragen bestürmten.
Nicht ohne Stolz schilderte Howard ihre Entdeckung. Gewiß, das Grab war leer wie alle bisher entdeckten Pharaonengräber, aber immerhin hatte er sein Ziel erreicht und war bis in die letzte Kammer vorgestoßen, ein Ziel, an dem Generationen von Ausgräbern vor ihm gescheitert waren.
Ausgelaugt und erschöpft hing Davis in seinem Korbsessel und schüttete Unmengen Wasser in sich hinein. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Die Männer hatten ihre Arbeit beendet, Ruhe breitete sich aus im Tal der Könige. Den Blick nach Osten gerichtet, wo das Niltal im Dunst lag, meinte er, in Gedanken versunken: »Unglaublich, zu welchen Kraftanstrengungen die Gier nach Gold die Menschen befähigt! Wo mögen die Mumien von Thutmosis und Hatschepsut heute sein?«
Howard setzte den Wasserkrug ab, den er über seinen Kopf geleert hatte, und prustete heraus: »Das kann ich Ihnen ganz genau sagen, Mr. Davis. Die beiden Herrschaften befinden sich im Museum in Kairo.«
Der Amerikaner warf Scheich Ibrahim einen verächtlichen Blick zu, weil er glaubte, Carter mache sich über ihn lustig. Aber sein Gesichtsausdruck änderte sich schnell, als Howard fortfuhr: »In dem Mumienversteck, das Ahmed Abd-el-Rassul vor über dreißig Jahren entdeckte, befand sich auch die Mumie Thutmosis’ I. Außerdem eine Holzkiste mit dem Namen Hatschepsuts. Allerdings lagen in dieser Kiste zwei weibliche Mumien, so daß wir wohl nie erfahren werden, welche von beiden Königin Hatschepsut ist.«
Davis kicherte gekünstelt, so wie er es immer tat, um eine gewisse Verlegenheit zu überspielen. Schließlich zündete er sich eine Zigarette an und paffte unruhig vor sich hin. Nach
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