Der König von Luxor
einer Weile trat er auf Carter zu und sagte: »Nun gut, Mr. Carter, damit können Sie Ihre Maskerade beenden. Ich danke Ihnen jedenfalls für Ihre Tätigkeit. Ihr restliches Honorar lasse ich Ihnen in den nächsten Tagen zukommen.« Dann wandte er sich seinen Assistenten Weigall und Ayrton zu.
»Mr. Davis!« unterbrach Carter den Amerikaner, »ich kann Ihre Enttäuschung verstehen, aber schließlich ist es nicht meine Schuld, daß auch dieses Grab ausgeraubt wurde. Im übrigen sollten Sie sich bewußt sein, daß Sie der Wissenschaft einen großen Dienst erwiesen haben.«
Aus einiger Entfernung rief Davis: »Ich bin nicht hier, um der Wissenschaft einen Dienst zu erweisen, Mr. Carter, ich will berühmt werden, sonst nichts!«
Howard erschrak. Noch nie hatte Davis so deutliche Worte gefunden. Keinen Steinwurf voneinander entfernt, standen sie sich gegenüber, ein jeder vom anderen enttäuscht, Davis wegen seiner Erfolglosigkeit, Carter, weil er erkannt hatte, daß seine Arbeit dem Amerikaner gleichgültig, ja lästig war, solange sie ihm keinen Ruhm einbrachte.
»Wissen Sie«, bemerkte Davis, während er näherkam, »mit Kupfer können Sie eine Menge Geld machen. Schön und gut. Aber kaum sind Sie unter der Erde, ist Ihr Name schon vergessen. Kein Hahn kräht nach Ihnen. Wenn Sie Glück haben, setzen die Erben Ihnen noch einen Grabstein. Auf dem steht: Er wurde geboren und ist gestorben. Das war’s. Mr. Carter, ich möchte etwas Bleibendes hinterlassen. Ich habe einen Traum, den Traum, daß die Menschen noch in hundert Jahren von Theodore Davis sprechen, dem großen Entdecker. Können Sie das verstehen?«
Carter sah Davis lange an; dann nickte er stumm. Nach einer Weile erwiderte er: »Tut mir leid, Sir, daß ich nicht zu Ihrer Unsterblichkeit beitragen konnte.«
K APITEL 22
Gleichsam über Nacht verwandelte sich Scheich Ibrahim wieder in Howard Carter, den arbeitslosen Ausgräber.
Er hatte, obwohl sie nicht gerade freundlich auseinandergegangen waren, Davis das Versprechen abgerungen, das Luftaggregat und die elektrische Beleuchtung im Grab der Hatschepsut zu belassen, damit er sich weiteren Forschungen widmen könne. In Wahrheit verbrachte Carter ganze Nächte in der untersten Grabkammer und wühlte mit bloßen Händen in dem aufgeschütteten Boden. Er vermutete nämlich einen weiteren Gang, der vielleicht zu einer Schatzkammer führte.
Oft kroch er morgens, wenn die Sonne gerade aufging, todmüde und mit blutenden Händen aus dem Erdtrichter und wankte seiner bescheidenen Behausung entgegen. Und je länger sich die erfolglose Arbeit hinzog, desto mehr sank seine Hoffnung. Ende März gab er auf.
In einem groß aufgemachten Artikel berichtete die Egyptian Gazette über die Entdeckung des tiefsten Pharaonengrabes durch den Amerikaner Theodore Davis und seinen erfahrenen Vorarbeiter Scheich Ibrahim. Howard hatte kein gutes Gefühl, als er die Zeitung las.
Wenige Tage später näherten sich vom Fluß her drei Reiter. Es war um die Mittagszeit, und in der Ruhe, die über dem Tal lag, hörte Howard sie schon von weitem kommen.
Vor seinem Haus machten sie halt. Zwei von ihnen überraschten ihn nicht. Es waren sein Nachfolger James Quibell und Gaston Maspero, der neue Altertümerdirektor, der dieses Amt früher schon einmal bekleidet hatte. Den dritten freilich hätte Howard am allerwenigsten erwartet. Es war »Porchy« Lord Carnarvon.
Noch bevor Quibell und Maspero Carter begrüßt hatten, trat der Lord auf Howard zu und umarmte ihn wie einen alten Freund. Carter blieb sprachlos.
»Großartig! Wirklich ganz außerordentlich!« rief Maspero und schüttelte Carter beide Hände gleichzeitig. Howard glaubte zu träumen, und nachdem die Heftigkeit seiner Begeisterung nachgelassen hatte, richtete Howard an Maspero die Frage: »Monsieur, wollen Sie mir nicht erklären, was Sie so sehr in Entzücken versetzt?«
Die drei Männer sahen sich an und grinsten vielsagend. Quibell verdrehte die Augen wie ein Kirchenheiliger und sagte: »Ein Kabinettstück allerersten Ranges, das Sie sich da geleistet haben, alle Achtung!«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, meine Herren«, entgegnete Carter verärgert. »Wollen Sie sich nicht erklären?«
Da faßte Maspero Howard an den Schultern, und mit freundlicher Miene erklärte er: »Mr. Carter, Sie brauchen sich nicht mehr zu verstellen. Wir wissen, wer Scheich Ibrahim war – Sie, Mr. Carter!«
»Unsinn!« log Howard. »Was habe ich mit diesem Scheich Ibrahim zu
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