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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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und sagte: »Mr. Carter, was halten Sie davon, wenn wir alles weitere bei einem Dinner im Hotel ›Winter Palace‹ besprechen? Sagen wir, heute abend?«
    Carter willigte ein.
    Es war lange her, und Howard konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wann und bei welcher Gelegenheit er zum letzten Mal im »Winter Palace« diniert hatte.
    In der Hotelhalle, die wie immer um diese Zeit von vornehm gekleideten Gästen bevölkert wurde, trat ihm ein kleines Mädchen entgegen, kaum zwölf Jahre alt, in einem hübschen Rüschenkleid und mit einer breiten Schleife im Haar.
    »Sie sind gewiß Mr. Carter! Habe ich recht?«
    »Gewiß, mein Kind!« antwortete Howard. »Und wie ist der Name der jungen Dame?«
    »Ich bin Evelyn, die Tochter von Lord und Lady Carnarvon. Wir sind zum Dinner verabredet. Darf ich Sie zu Ihrem Platz geleiten?«
    »Oh, ich bitte darum!« erwiderte Carter mit einer angedeuteten Verbeugung. Amüsiert nahm er zur Kenntnis, wie das kleine Mädchen ganz selbstverständlich seine Hand ergriff und ihn in das im rechten Flügel gelegene Restaurant führte. »Ich habe viel von Ihnen gehört«, meinte Evelyn im Gehen, »Sie sind ein berühmter Ausgräber und sehr gescheit!«
    »So, so. Wer behauptet das, mein Fräulein?«
    »Papa.«
    »Und du glaubst deinem Papa?«
    »Sir!« Das Mädchen blieb stehen und zog seine kleine Stirn in Falten. »Wenn ich Papa nicht glauben kann, wem sollte ich überhaupt glauben!«
    »Da hast du allerdings recht. Entschuldige meine Bemerkung.«
    »Schon vergessen!« Hand in Hand setzten sie ihren Weg fort.
    Seine Lordschaft befand sich in Begleitung von Lady Almina, deren auffallende Schönheit alle Blicke auf sich zog. Howard faszinierten vor allem ihre Hände, die zart, schmal und weiß waren, wie er sie noch bei keiner Frau gesehen hatte.
    Nachdem alle Platz genommen hatten, eröffnete Lord Carnarvon die Unterhaltung: »Erinnern Sie sich noch an unsere erste Begegnung, Mr. Carter?«
    Howard lachte. »Aber gewiß, Mylord. Es war bei einem Dinner in Didlington Hall. Damals habe ich mich etwas ungeschickt benommen. Ich hätte besser den Mund halten sollen.« Und an Lady Almina gewandt: »In den Zeitungen stand damals eine Geschichte, ein gewisser Spink habe ein Mädchen aus einem brennenden Haus gerettet. In Wahrheit hatte ich das Mädchen aus den Flammen geholt; aber das wollte mir niemand glauben, weil es anders in der Zeitung stand!«
    »Ich kenne die Geschichte«, bemerkte die Lady. »Ihr Verhalten hat meinem Mann damals sehr imponiert.«
    »Ach wirklich?« Howard sah Carnarvon an.
    Der nickte. »Wissen Sie, Mr. Carter, auf dieser Welt gibt es viel zu viele Jasager und Konformisten. Mir hat es imponiert, wie Sie auf der Wahrheit beharrten.«
    »Papa!« rief Evelyn aufgeregt. »Hat Mr. Carter wirklich ein Mädchen aus den Flammen gerettet? Dann ist Mr. Carter ja ein Held!«
    Noch ehe Howard etwas einwenden konnte, erwiderte Carnavon: »Ja, mein Kind, Mr. Carter ist ein Held, weil er etwas getan hat, wozu anderen der Mut fehlte.«
    Howard war es peinlich, wie ihn das Mädchen mit großen Augen bewundernd ansah. Schließlich meinte er: »Das ist lange her und nicht der Rede wert. Wie geht es übrigens Lord und Lady Amherst?«
    Da warf Carnarvon seiner Frau einen unsicheren Blick zu und sagte: »Ich dachte, Sie wüßten…«
    »Was sollte ich wissen?«
    »Lord Amherst ist tot. Das Herz. Ich dachte, Sie hätten längst davon erfahren.«
    »Nein«, erwiderte Howard tonlos. »Lord Amherst tot? – Ich habe ihm viel zu verdanken, genaugenommen sogar alles. Er war es, der mich zum Ausgräber gemacht hat, und was noch wichtiger ist, Lord Amherst hat an mich geglaubt. Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«
    Carter erhob sich und eilte durch das Restaurant auf die Terrasse. Dort atmete er tief durch. Während sein Blick über den Nil schweifte, der in der Dämmerung träge dahinfloß, waren seine Gedanken in Didlington Hall. Und plötzlich kam ihm Alicia ins Gedächtnis und ihre Prophezeiung, einer aus der Herrenrunde würde einen Jahrtausendschatz heben. Seine Niederlagen hatten dazu geführt, daß er sich lange nicht mehr an dieses Ereignis erinnerte. Nun war es plötzlich wieder lebendig. Er und Carnarvon würden ein gutes Gespann abgeben. Howard wollte, er mußte es noch einmal versuchen.
    In Gedanken versunken, fühlte er auf einmal eine kleine Hand in der seinen. Es war Evelyn. »Bist du jetzt traurig, Mr. Carter?« fragte sie zaghaft und blickte zu ihm auf.
    »Hm«, meinte Howard und

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