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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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kein Platz ist. Ich glaube den Grund zu kennen, warum Napoleon und Lepsius aufgegeben haben. Es fehlte ihnen an Licht und Luft in der engen Röhre, die sich in einem Bogen nach unten windet.«
    »Und wie wollen Sie diesem Problem begegnen?«
    »Ganz einfach. Wir brauchen elektrischen Strom.«
    »Eine grandiose Idee, Scheich Ibrahim. Allerdings befindet sich der nächste Stromanschluß am anderen Nilufer in Luxor.«
    »Dann müssen Sie dafür sorgen, daß der elektrische Strom hier herübertransportiert wird. Ich verstehe ja nichts von neumodischen Dingen; aber wenn es möglich ist, den Strom von Assuan nach Kairo zu schicken, dann muß es doch auch möglich sein, ein bißchen von dieser wundersamen Energie von Luxor ins Tal der Könige fließen zu lassen.«
    Theodore Davis nickte anerkennend. Elektrischer Strom im Tal der Könige – eine faszinierende Vorstellung. »Scheich Ibrahim, Sie sollen Ihren Strom haben!«
    Wenige Tage später legte ein Dampfschiff der »Elektrischen Gesellschaft« in Luxor an, an Bord riesige Kabeltrommeln mit elektrischen Leitungen. Ein Heer von Arbeitern versenkte an der Stelle nahe dem Luxor-Tempel, wo der Nil gerade eine halbe Meile breit ist, die Leitung in den Fluß. Tagelang hallten die Rufe der Männer durch die Ebene von Kurna, wenn sie im Takt ihrer Gesänge die schweren Kabel in Richtung des Tals der Könige zogen. Nach drei Wochen flammte zum ersten Mal elektrisches Licht im Grab eines Pharaos auf.
    Carter konnte seine Ergriffenheit nicht verbergen. Es schien, als erwachten die Wandgemälde und Reliefs in den Gräbern, die er bisher nur im Fackelschein oder im fahlen Licht rußender Petroleumlampen betrachtet hatte, zu neuem Leben. Mit komplizierten Spiegelkonstruktionen hatten die alten Ägypter das Sonnenlicht unter die Erde gelockt, um dort ihrer Arbeit nachgehen zu können. Nun genügte ein einfacher Schalter, um die ewige Nacht zu vertreiben.
    Je tiefer sich Carter mit seinen Männern in den Berg bohrte, desto mehr wurde deutlich, warum alle Ausgräber vor ihm aufgegeben hatten. Mit jedem Meter wurde die Luft dünner. Unvorstellbar, daß früher Arbeiter im Fackelschein gearbeitet hatten. Eine Fackel verbraucht mehr Sauerstoff als ein Mensch.
    Eine erste Kammer war schmucklos und leer. Es gab keine Inschriften, von Reliefs und Gemälden ganz zu schweigen. »Weiter!« kommandierte Scheich Ibrahim. Doch das war leichter gesagt als getan, weil man stellenweise den verkrusteten Schutt vom brüchigen Felsgestein nicht unterscheiden konnte und weil der steil nach unten führende Stollen bisweilen einen Bogen beschrieb, dann aber wieder geradeaus führte.
    »Scheich Ibrahim, Scheich Ibrahim! Mustafa ist tot!« Ein zwölfjähriger Junge, der wegen seines kleinen Wuchses für besondere Aufgaben eingesetzt wurde, kam aus dem Grabtrichter ans Tageslicht. Er schnappte nach Luft wie ein aus seinem Element geschleuderter Fisch und berichtete, daß Mustafa, einer der besten Grabungsarbeiter, in vierzig Meter Tiefe tot umgefallen sei. »Das ist der Fluch des Pharao!« rief er und weigerte sich, das Grab noch einmal zu betreten.
    Howard raffte seine Galabija und stieg in den Stollen hinab. Wie benommen torkelten ihm ein paar Arbeiter entgegen, wild gestikulierend und nach unten zeigend. »Scheich Ibrahim! Mustafa ist tot. Der Fluch des Pharao!«
    »Unsinn!« rief Carter wütend. »Geht an die Arbeit, ihr Holzköpfe!«
    Eingeschüchtert kauerten sich die Männer auf den Boden.
    Kaum hatte er die Stelle erreicht, wo Mustafa scheinbar leblos auf dem Boden lag, da wurde Howard selbst von Schwindel erfaßt. Vergeblich versuchte er, Luft in seine Lungen zu pumpen, aber es ging nicht. Er preßte seine Hand gegen Mustafas Halsschlagader. Mustafa lebte.
    »Schafft ihn hinauf!« brüllte er die verängstigten Arbeiter an. »Aber schnell, sonst stirbt Mustafa wirklich!« Die Männer glaubten dem Scheich nicht. Für sie war Mustafa tot. Apathisch verfolgten sie jede von Howards Bewegungen. Der faßte Mustafa unter den Achseln und zog den leblosen Körper in dem engen Stollen rückwärts ans Tageslicht. Oben angelangt, öffnete der Ägypter die Augen.
    »Wo sind die anderen?« rief Carter aufgeregt. »Da unten sind noch mindestens fünf Männer, halb bewußtlos.«
    Davis schien wenig beeindruckt. »Was sollen wir tun?« fragte er gelassen.
    »Wir müssen die Männer herausholen!« schrie Howard und zwängte sich ein zweites Mal durch den engen Einlaß. Bevor er ganz in dem Erdtrichter verschwand, rief

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