Der König von Luxor
Davis. »Niemals! Wissen Sie, wie viele tausend Dollar ich in diesen Stollen investiert habe? Zehntausend Dollar! Und Sie reden von aufgeben.«
»Aber die Kinder brechen reihenweise zusammen. Sie schlucken Staub, und ihre Lungen verkleben. Sie können nicht mehr, und sie wollen nicht mehr.«
»Ich zahle ihnen das Dreifache, meinetwegen das Fünffache. Das wird ihre Lebensgeister wecken, glauben Sie mir, Mr. Carter.«
Die Quälerei ging weiter. Howard teilte die Kinder in Fünfzehn-Minuten-Schichten ein, Davis zahlte den dreifachen Lohn, zusätzliche Sonderprämien. Gleichzeitig wurde die Förderleistung des Luftaggregats erhöht. Nach 120 Metern brach der Stollen ein und schnitt zwei Arbeitern und drei Kindern die Verbindung zur Außenwelt ab. Mit bloßen Händen und einer Staffette aus Kindern wurde der Einbruch beseitigt, die Verschütteten gerettet.
In 160 Metern Tiefe waren zwei Stufen im Boden. Carter wähnte sich am Ziel: Habe ich dich endlich, gottverdammter Pharao! Eine Kammer, tagelanges Schuttbeiseiteräumen, dann die Erkenntnis: alles vergeblich. Nichts außer einem schmucklosen, leeren Raum, von dem aus es weiter in die Tiefe ging.
Drei Wochen später, Scheich Ibrahim befand sich nun zweihundert Meter tief in dem Felsgebirge, kam eine weitere Kammer zum Vorschein, bis an die Decke mit Schutt aufgefüllt. Zum wiederholten Mal dachte Carter daran aufzugeben. Aber Davis vermochte ihn aufzurichten: »Sie dürfen nicht aufgeben, Mr. Carter, so wenige Meter vor dem Ziel! Oder wollen Sie anderen den Ruhm des Entdeckers überlassen?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Howard und machte weiter, hustend, krank, geschwächt, mit krummem Rückgrat und wie betäubt.
Kaum war die Kammer ausgeräumt – sie war leer wie die vorangegangenen –, stieß Carter in der rechten unteren Ecke auf eine Treppe. Sie führte steil nach unten, und es dauerte volle drei Tage, bis er sie freigelegt hatte. Längst hatte Howard die Hoffnung aufgegeben, noch jemals an ein Ziel zu gelangen. Sein Gehirn war wie vernebelt, und er wußte nicht einmal mehr zu sagen, wonach er überhaupt suchte. Zehn-, fünfzehnmal am Tag tauchte er ein in die Unterwelt, um nach wenigen Minuten benommen wieder aufzutauchen, Luft zu atmen, die Sinne zu ordnen. Es wurde immer mühsamer.
Ein Junge, der gerade von unten kam, riß ihn aus seiner Lethargie: »Scheich Ibrahim, eine Mauer!«
»Eine Mauer!« rief Carter Davis zu, der die Zeit unter einem Sonnenschirm in einem bequemen Korbstuhl verbrachte. Gemeinsam machten sie sich an den Abstieg. Der Amerikaner hatte sich bisher nur ein paarmal in die Tiefe gewagt. Nun drängte er voraus. Davis wollte der erste sein und stieß die lärmenden Arbeiter, die ihnen mit Körben voll Schutt entgegenkamen, beiseite.
Die Luft wurde dünner, je tiefer sie sich vorarbeiteten. Alle zwanzig Schritte tauchte eine elektrische Glühbirne auf, die, mit Staub bedeckt, düsteres Licht verbreitete. Das Atmen fiel schwerer mit jedem Schritt. Zweihundert Meter waren es bis zum untersten Punkt, gut dreihundert Schritte. In kurzen Abständen spuckte Carter aus. Davis tat es ihm gleich. Er hustete sich die Lunge aus dem Leib und stieß Flüche aus wie ein Viehtreiber. Carter hingegen hielt den Mund fest geschlossen, setzte mit steter Regelmäßigkeit einen Fuß vor den anderen, überholte Davis, der am Ende seiner Kräfte zu sein schien, und kletterte rückwärts die steile Treppe hinab, wo die Arbeiter auf eine Mauer gestoßen waren. Dann wandte er sich um.
Der Anblick traf ihn wie ein Keulenschlag. Vor ihm tat sich eine Mauer auf; aber in halber Höhe klaffte ein Loch, so groß wie ein Wagenrad.
Vergeblich versuchte Howard, tief einzuatmen, etwas von der Luft, die durch den Schlauch nach unten strömte, in seine Lungen zu pumpen, doch er beließ es bei dem Versuch, weil er mehr Staub in sich aufnahm als Sauerstoff, und atmete in kurzen, heftigen Stößen.
Inzwischen näherte sich Davis, und noch bevor er das Loch im Mauerwerk sehen konnte, rief Carter ihm entgegen: »Ich befürchte, Sir, wir kommen dreitausend Jahre zu spät!«
»Wie meinen Sie das?« nuschelte der Amerikaner mit vorgehaltener Hand.
Mit einer Kopfbewegung wies Carter auf das Mauerloch.
Geblendet von der elektrischen Glühbirne, hielt Davis die Hand vor die Augen. »Sagen Sie, daß es nicht wahr ist!« stammelte Davis ein um das andere Mal, bis er schließlich seine Enttäuschung, seine Wut, seine Hilflosigkeit herausschrie, hustend, spuckend und mit
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