Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
Silbergeschirr und feines Porzellan eine Selbstverständlichkeit waren, hob sich das kleine, funkelnde Gefäß so sehr von der übrigen Pracht ab, daß es Lady Almina ein staunendes »Oh, Mr. Carter!« entlockte, und Lord Carnarvon preßte sein Kinn auf die Tischplatte, um den Becher, ohne ihn zu berühren, aus nächster Nähe zu betrachten.
    »Sie machen mich neugierig«, sagte er, nachdem er das goldene Gefäß eingehend gemustert hatte. »Erklären Sie uns, welche Bewandtnis es damit hat.«
    Howard nahm den Becher und drehte ihn so, daß auf der Vorderseite kunstvoll gravierte Hieroglyphen sichtbar wurden.
    »Was heißt das?« fragte Carnarvon.
    »Neb-cheperu-Re. Das ist der Thronname des Pharaos Tut-ench-Amun.«
    »Nie gehört von einem Pharao dieses Namens.«
    »Das wundert mich nicht, Mylord. Es ist nicht einmal eine Bildungslücke. Denn bei Tut-ench-Amun handelt es sich um einen vergessenen Pharao. Warum dieser Pharao von der Nachwelt vergessen wurde, vielleicht sogar vergessen werden sollte, sei dahingestellt. Tatsache ist, daß er als König Ägypten regiert hat. Sonst hätte er nicht diesen Thronnamen erhalten.«
    »Und wann lebte dieser vergessene Pharao?«
    »Vor über dreitausend Jahren.«
    Carnarvon unterbrach das andächtige Schweigen: »Und woher stammt dieser goldene Becher?«
    »Ich habe ihn gefunden, drüben im Tal der Könige.«
    Der Lord war wie elektrisiert. »Gefunden? Was heißt gefunden? Solche Dinge liegen doch nicht einfach so herum.«
    »Doch, Mylord. Ich sah etwas im Geröll blinken, so wie eine Zehn-Piaster-Münze, die jemand verloren hat. Ich bückte mich, scharrte etwas Sand und ein paar Steine zur Seite und zog diesen Becher heraus.«
    »Wir werden genau an dieser Stelle zu graben beginnen!« rief Seine Lordschaft so begeistert, daß Lady Almina sich genötigt sah, ihren Mann zur Zurückhaltung zu mahnen. Andere Gäste würden schon aufmerksam.
    Howard schüttelte den Kopf. »Das werden wir nicht tun.«
    »Warum nicht, Mr. Carter? Wir können schon morgen beginnen!«
    »Weil ich den Becher an einer Stelle unweit des Eingangs zum Grab Ramses’ VI. gefunden habe, wo sich der Aushub von mehreren anderen Pharaonengräbern türmt. Vermutlich wurde das kostbare Stück schon mehrmals von einem Ort zum anderen geschaufelt, ohne von jemandem bemerkt zu werden.«
    »Wollen Sie damit sagen, Mr. Carter…«
    »… daß es noch gewaltiger Anstrengungen bedarf oder eines weiteren Fundes, bevor wir uns auf die Suche nach dem Grab des vergessenen Pharaos machen können.«
    »Aber Sie haben ein Areal im Auge!«
    »Gewiß, Mylord. Nur liegt dieses genau in der Mitte zwischen drei Claims, auf denen gerade Theodore Davis, Sir Robert Mond und der Earl of Northampton mit ihren Teams tätig sind.«
    »Suchen die etwa auch nach dem vergessenen Pharao?«
    »Gott bewahre, nein! Es gibt in Luxor nur einen einzigen Ausgräber, der von der Existenz dieses Pharaos überzeugt ist, und der heißt Howard Carter.«
    Carnarvon gefiel die Beharrlichkeit, mit der Carter sein Ziel verfolgte. Dennoch stellte er ihm die Frage: »Was macht Sie eigentlich so sicher, daß dieser Tut-ench-Amun im Tal der Könige begraben und später vergessen wurde?«
    Howard schmunzelte überlegen, er nahm den kleinen goldenen Becher in die Hand und hielt ihn gegen das Licht, daß er funkelte wie ein Stern am Abendhimmel. Dann antwortete er: »Mylord, wir haben die Gräber aller ägyptischen Könige gefunden, die in den Annalen der Geschichte aufgeführt sind. Nur einer fehlt: Tut-ench-Amun. Ich glaube nicht, daß er sich in Luft aufgelöst hat. Und dieser Becher ist eine erste Spur.«
    »Oh, wie aufregend!« rief Lady Almina, und Seine Lordschaft mahnte, das Essen nicht kalt werden zu lassen.
    Nach dem Dessert bestellte Carnarvon Champagner. Er erhob sein Glas, und mit feierlichem Unterton sprach er, während er seiner Frau und Howard zuprostete: »Auf unser gemeinsames Unternehmen, auf Tut-ench-Amun!«
    Carter hielt dem Lord den goldenen Becher hin. Der verstand und schenkte Champagner ein. »Auf Tut-ench-Amun!« rief Howard übermütig und leerte den Becher in einem Zug. Dann ließ er das bedeutsame Stück wieder in seiner Jackentasche verschwinden.
    Lord Carnarvon räusperte sich verlegen. »Mr. Carter, darf ich Sie etwas fragen«, begann er umständlich, »würden Sie mir diesen Becher verkaufen? Sagen wir fünfhundert Pfund?«
    Fünfhundert Pfund. Das war eine Menge Geld. Dennoch schüttelte Howard den Kopf: »Mylord, dieser Becher ist

Weitere Kostenlose Bücher