Der König von Luxor
Im Umgang mit Frauen wurde ich bisher nicht gerade vom Glück verwöhnt. Das ist auch der Grund, warum ich zum Eremiten geworden bin. Oder dachten Sie, ein Mann wie ich flüchtet freiwillig in die Wüste? Das Tal der Könige ist ein Hort für Einzelgänger.«
Elizabeth versuchte ein freundliches Gesicht zu machen. »Howard, Sie reden, als ob es ewig so bleiben müßte. Sie sind noch nicht zu alt, um ein neues Leben zu beginnen.«
Da brach Howard in ein gekünsteltes Gelächter aus und rief: »Elizabeth, ich habe keine andere Wahl. Viel habe ich nicht gelernt im Leben. Und wenn ich eine Chance habe, dann ist sie hier und nirgends anders auf der Welt.«
»Ich dachte ja nur…«
»Das ist augenblicklich auch nicht das Problem. Hier geht es nicht um meine Zukunft, sondern um Ihre.«
An den Holzzaun gelehnt, der Carters Haus umgab, blickte Elizabeth in Richtung des Flusses und dachte nach. »Ich liebe dieses Land«, sagte sie in Gedanken verloren, »Ägypten ist mir zur zweiten Heimat geworden. Trotzdem wird es vielleicht das beste sein, wenn ich nach London zurückkehre. Ich werde mir die besten Anwälte nehmen, um mich aus den Klauen dieses Ekels zu befreien.«
In der folgenden Zeit begegneten sich Howard und Elizabeth beinahe täglich. Um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, wählten sie stets andere Treffpunkte für ihre Zusammenkünfte. Elizabeth blühte auf, und allmählich kehrte der Glanz in ihre Augen zurück.
Howard hatte Zweifel, ob er diese Frau so einfach ziehen lassen sollte. Aber je länger er darüber nachdachte, desto mehr kam ihm zu Bewußtsein, daß Elizabeth in Luxor keine Zukunft hatte. Spink würde sie weiter quälen, erniedrigen und ausbeuten, und er müßte tatenlos zusehen.
Er kannte diesen Spink nun schon seit seiner Jugend, und eigentlich hätte Carter wissen müssen, daß er seine Frau auf Schritt und Tritt beobachten ließ. Längst hatte er von den geheimen Treffen Kenntnis, und wie nicht anders zu erwarten, zog er die falschen Schlüsse daraus.
Eines Tages, Elizabeth wartete in seinem Haus in Dra abu el-Naga auf Howards Rückkehr, näherte sich Spink in Begleitung von drei entschlossen dreinblickenden Männern. Hinter einer nahen Sanddüne legten sie sich auf die Lauer. Sturm kam auf, wie oft um diese Jahreszeit, und trieb Wolken aus Sand und Staub vor sich her.
Carter ließ nicht lange auf sich warten. Wie eine Fata Morgana tauchte er auf dem Rücken seines Maultiers aus einer Sandwolke auf und verschwand in seinem Haus. Ängstlich erwartete ihn Elizabeth. Durch Öffnungen und Ritzen drang feiner Sand und verursachte unheimliche Geräusche. Elizabeth suchte in Howards Armen Schutz. Da wurde die Türe aufgestoßen.
Howard glaubte zunächst, der Sturm habe sie eingedrückt, doch dann blickte er auf vier vermummte Gestalten, und ehe er sich versah, stürzten sich zwei Männer auf ihn, die beiden anderen nahmen sich Elizabeth vor. Die schrie aus Leibeskräften und schlug und trat um sich. Es war das letzte, was Carter wahrnahm; denn im selben Augenblick traf ihn ein furchtbarer Schlag auf den Kopf, und er sackte bewußtlos zu Boden.
Schnell wie er gekommen war, ebbte der Sandsturm ab. Als Howard wieder zu sich kam, lag unheimliche Stille über dem Tal. Sein Kopf schmerzte. Sand knirschte zwischen den Zähnen, und seine Hände fühlten sich spröde an, wie ausgedörrt. Die Tür stand halb offen. Eine Sanddüne hatte sich in das Innere geschoben. Die karge Einrichtung war verwüstet.
Allmählich kam die Erinnerung zurück. Howard setzte sich auf. An seinem Arm klebte verkrustetes Blut. Es bereitete ihm Mühe, sich in dem Chaos zurechtzufinden, aber nach und nach wurde ihm klar, daß nicht der Sturm, sondern die fremden Männer sein Haus verwüstet hatten. Von Elizabeth fehlte jede Spur.
Der Goldbecher des Tut-ench-Amun! schoß es Howard durch den Kopf. Er rappelte sich hoch und humpelte zu der Mauernische, in der er das kostbare Stück aufbewahrte. Der Becher war verschwunden. Für Carter gab es keinen Zweifel, daß Spink hinter dem Anschlag steckte; aber nachdem er diesen ohne größeren Schaden überstanden hatte, galt seine größere Sorge Elizabeth. Seit sie ihm ihr Martyrium gebeichtet hatte, fühlte er sich auf unerklärliche Weise für sie verantwortlich.
Beinahe eine Woche hatte Howard nichts von Sayyed gehört, deshalb war er erleichtert, als dieser ihn während der Arbeit in Der-el-Bahari aufsuchte.
»Verdammt, wo steckst du die ganze Zeit?« zischte Carter unwillig.
Weitere Kostenlose Bücher