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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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versuchte krampfhaft zu lächeln.
    »Papa sagt immer, Zeit heilt alle Wunden.«
    »Da hat dein Papa nicht unrecht. Komm, wir gehen wieder hinein!«
    Nachdem Howard Platz genommen und das Essen bestellt hatte, bemerkte Lady Almina lächelnd: »Ich glaube, Mr. Carter, Sie haben eine große Verehrerin gefunden. Meine Tochter läßt Sie nicht mehr aus den Augen.«
    »Ich fühle mich durchaus geschmeichelt«, erwiderte Carter und zwinkerte dem kleinen Mädchen zu.
    Das aber gefiel Evelyn gar nicht. Wütend schlug sie mit der kleinen Hand auf den Tisch und rief: »Ich möchte nicht wie ein Kind behandelt werden. Papa sagt immer, ich sei kein Kind mehr. Bitte richtet euch danach!«
    Lady Almina ermahnte ihre Tochter zu schweigen, wie es einer jungen Dame bei Tisch gebühre. Von nun an redete das Mädchen den ganzen Abend kein Wort mehr.
    »Um Didlington Hall ist es nicht gut bestellt«, nahm der Lord seine Rede wieder auf. »Lady Margaret Amherst wird das Landgut wohl nicht halten können. Alle Töchter sind aus dem Haus. Sie ist die einzige Bewohnerin – abgesehen vom Personal. Ich habe den größten Teil der Ägypten-Sammlung von Lord Amherst übernommen. Seitdem ist bei mir das Jagdfieber ausgebrochen. Ich träume davon, eine bedeutsame Entdeckung zu machen, die auf ewig mit meinem Namen verbunden bleibt. Können Sie das verstehen, Mr. Carter?«
    Carter schmunzelte vor sich hin. Solche Worte waren ihm nicht fremd, und wenn er ehrlich war, deckten sie sich sogar mit seinen eigenen Vorstellungen. Schließlich antwortete er: »Ich verstehe Sie sehr wohl, Mylord. Die Frage ist nur, wie sich Ihre Träume in die Realität umsetzen lassen. Betrachte ich meine letzten zwanzig Jahre hier in Ägypten, dann muß ich, wenn ich ehrlich bin, gestehen, sie waren eine Aneinanderreihung von Mißerfolgen.«
    »Aber Mr. Carter!« fiel ihm Lady Almina ins Wort. »Sie sind ein bekannter Archäologe und Forscher, und die Wissenschaft hat Ihnen viel zu verdanken!«
    Howard hob abwehrend beide Hände: »Das mag ja sein, Mylady, aber die wirklich große Entdeckung blieb mir bisher versagt, eine Entdeckung, die – wie Seine Lordschaft sagt – für immer mit meinem Namen verbunden bliebe. Deshalb möchte ich Sie vor mir warnen, Mylord. Ich bin ein geborener Pechvogel. Wenn ich mich recht erinnere, waren Sie doch selbst anwesend bei meiner bisher größten Blamage, als ich einmal in Der-el-Bahari unter Anwesenheit illustrer Ehrengäste ein leeres Grab öffnete. Und mein letzter Coup mit dem Amerikaner Davis war nicht viel besser. Zweihundert Meter mußte ich mich durch brüchiges Felsengestein arbeiten, um nach einem Jahr festzustellen, daß alles vergeblich war. Sie sollten sich nach einem Ausgräber umschauen, der mehr Glück hat und einen besseren Ruf bei den zuständigen Behörden.«
    »Aber Ihr Ruf ist hervorragend«, wandte Carnarvon ein. »Maspero hat Sie von sich aus als Grabungsleiter vorgeschlagen. Wenn einer im Tal der Könige noch Erfolg haben kann, sagte er, dann ist es dieser Carter.«
    »So – sagte er das. Maspero hat wohl etwas gutzumachen. Jetzt plagt ihn das schlechte Gewissen.«
    »Ach was!« erwiderte der Lord unwillig. »Masperos Motive sind doch gleichgültig. Wichtig ist das Vertrauen zwischen uns beiden. Und ich vertraue Ihnen blind, Mr. Carter. Sie sind der einzige, mit dem ich mir vorstellen kann, ein paar Jahre im Tal der Könige oder auch anderswo zu graben.«
    Howard fühlte sich von Carnarvons Worten geschmeichelt. Seit er ihm zum ersten Mal begegnete, damals bei dem Fest in Didlington Hall, bewunderte er den eigenwilligen Lord, seine Weltgewandtheit, sein Selbstbewußtsein und seine Eloquenz, und natürlich hatte sich Carter längst entschieden, zusammen mit diesem Mann ein ganz großes Projekt in Angriff zu nehmen.
    Andererseits hatte Lord Carnarvon nicht den geringsten Zweifel, daß Carter sein Angebot annehmen würde. Er wartete auch gar nicht seine Zusage ab, sondern fragte ohne Umschweife: »Haben Sie denn schon eine Idee, wonach wir überhaupt suchen könnten? Ich meine, mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg?«
    Auf diesen Augenblick hatte Carter nur gewartet. Wie ein Schauspieler hatte er die Situation ganz für sich allein geprobt. Jetzt brachte er sie mit scheinbarer Gelassenheit zur Aufführung: Wortlos griff Howard in seine Jackentasche und stellte einen kleinen goldenen Becher in die Mitte des Tisches, mitten unter die Speisen, die inzwischen serviert worden waren. Und obwohl im »Winter Palace«

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