Der König von Luxor
Leben der Großstadt gehaßt. Ich wollte nicht länger meine Zeit verlieren in dieser Atmosphäre von Krankheit und Verfall. Ich wollte nicht länger Modearzt sein. Meine Angst ist es, so zu enden wie mein Freund Guy de Maupassant. Nein, Madame, ich baue mir mein Tusculum.«
»Darf man erfahren, wo dieser glückverheißende Flecken Erde zu finden ist?«
»Auf Capri, Madame, genauer auf Anacapri, oben im Gebirge mit Blick über den Golf von Neapel. Und dort, hunderte Meter senkrecht über dem Meer, soll eine Sphinx aus rotem Granit über mich wachen. Mr. Davis, Sie müssen mir helfen. Ich werde Ägypten nicht eher verlassen, bis ich eine solche Sphinx mein eigen nenne.«
Davis wiegte den Kopf hin und her. »Ich fürchte, ich bin für Sie die falsche Adresse. Auch würde ich Ihnen nicht empfehlen, Ihren Wunsch laut zu äußern. Die Zeiten, in denen man in Ägypten alles kaufen konnte, sind nämlich vorbei. Auch die Stücke, die hier herumstehen, sind alle registriert und unverkäuflich.«
Wie zufällig näherte sich Carter aus dem Hintergrund, und Davis meinte, an Munthe gewandt: »Vielleicht wenden Sie sich an diesen Herrn. Sein Name ist Howard Carter, und er genießt einen hervorragenden Ruf als Ausgräber. Carter hat sein halbes Leben in Ägypten zugebracht. Wie lange leben Sie eigentlich schon in Ägypten, Mr. Carter?«
Howard trat hinzu, grüßte höflich nach allen Seiten, dann antwortete er: »Zwanzig Jahre, Mr. Davis; aber zwanzig Jahre in Ägypten sind so viel wie fünfzig Jahre in Europa. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.«
»Das ist Doktor Munthe«, meinte Davis ohne Umschweife, »er ist ein bekannter Arzt und sucht eine Sphinx aus rotem Granit. Vielleicht können Sie ihm weiterhelfen.«
»Ich?« rief Carter entrüstet. »Wie kommen Sie gerade auf mich?«
Verlegen hob Davis die Schultern, und Howard fuhr fort: »Ich bin Ausgräber, Mr. Davis, kein Schieber, das sollten Sie eigentlich wissen!« Dann drehte er sich um und verschwand in der Gesellschaft.
»Er ist manchmal etwas heftig«, bemerkte der Amerikaner, während er Howard hinterhersah. »Ich kann ein Lied davon singen. Wir haben lange genug zusammen gearbeitet.«
Indes begab sich Carter auf die Terrasse. Mit gespielter Gleichgültigkeit hielt er Ausschau nach Elizabeth. Seit langem hatte er nichts von ihr gehört, und er war sicher, daß sich Spink ein Fest wie dieses nicht entgehen lassen würde. Da zupfte ihn jemand am Ärmel. »Mr. Carter!«
Es war Arthur Weigall. »Sie mögen Davis nicht besonders, stimmt’s?«
»Stimmt«, erwiderte Howard knapp.
»Ich auch nicht«, bemerkte Weigall. »Unter einem Amerikaner zu arbeiten, ist eine Strafe Gottes, vergleichbar nur mit den zehn ägyptischen Plagen der Bibel.«
Carter gab sich erstaunt: »Ein Wunder, wie Sie es so lange ausgehalten haben.«
»Sie wissen ja selbst, wie das ist, wenn man Geld braucht«, wandte Weigall ein. »Jetzt bin ich froh, daß alles vorbei ist. Ich gehe zurück nach England. Und Sie? Wie lange wollen Sie das hier noch machen?«
»Wie lange?« fragte Carter irritiert zurück. Es schien, als hätte er sich noch nie mit dieser Frage auseinandergesetzt. »Wie lange?« wiederholte er abwesend. »Ich würde sagen, so lange, bis ich den Fund meines Lebens gemacht habe. Das habe ich mir nun einmal in den Kopf gesetzt.«
»Und was verstehen Sie unter dem Fund Ihres Lebens, Mr. Carter?«
»Ich werde das Grab Tut-ench-Amuns finden, irgendwo da drüben in der Steinwüste! Und ich werde der erste sein, der nach über dreitausend Jahren seinen Fuß in dieses Grab setzt!«
Weigall blickte nachdenklich drein. Es schien, als kämpfte er mit sich, als wollte er etwas loswerden. Stockend, um jedes Wort ringend und mit leiser Stimme begann er: »Sie sollten wissen, was eigentlich ein Geheimnis bleiben sollte. Davis hat Ayrton und mir das Versprechen abgenommen, darüber zu schweigen. Aber wenn jemand das Recht hat, es zu erfahren, dann sind Sie es, Mr. Carter.«
Howard sah Arthur Weigall prüfend an. Machte der sich über ihn lustig? Doch dann sah er Weigalls ernstes Gesicht und sagte: »So reden Sie doch endlich!«
Weigall schielte nach allen Seiten, zupfte verlegen an seiner Nase und sagte: »Es ist nämlich so: Davis hat das Grab des Tut-ench-Amun bereits gefunden, jedenfalls ist er davon überzeugt. Und das ist auch der Grund, warum er seine Arbeiten einstellt und nach Amerika zurückkehrt.«
Carter fühlte, wie eine gewaltige Faust auf ihn einschlug. Einen
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