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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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während er Carnarvon die Augen verband, »aber es ist zu meiner eigenen Sicherheit. Sollte Ihnen das Stück nicht gefallen, bringe ich Sie wieder hierher zurück, und wir haben uns nie gesehen.«
    Das klang beinahe seriös. Und die Kutsche setzte sich in Bewegung.
    Nach zehnminütiger Fahrt gewann Seine Lordschaft den Eindruck, daß sich der Wagen im Kreis bewegte. Eigentümliche Geräusche wiederholten sich, und Carnarvon fragte ungeduldig: »He, Mister, ist es noch weit? Ich kann mich doch auf Ihr Wort verlassen?«
    Da hörte er das Lachen des Unbekannten, der ihm auf der Sitzbank gegenübersaß, und rief: »Sir, wenn wir Gauner uns nicht mehr auf uns verlassen könnten – wer dann?«
    Zu Hause in England hätte er einen Mann, der ihn mit einem Gauner gleichsetzte, zum Duell gefordert. Aber hier in Ägypten war alles anders. »Porchy« lachte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, wollte er sich nicht um die Chance bringen, eine kostbare Ausgrabung zu erwerben.
    Im selben Augenblick kam die Kutsche zum Stehen. Behutsam half der Fremde Carnarvon aus dem Wagen und führte ihn über vier Stufen in ein Haus und weiter in einen kahlen Raum, in welchem die Stimmen hallten. Dort wurde ihm die Augenbinde abgenommen.
    Der Raum war weiß gestrichen, und in der Mitte stand ein alter Holztisch. Eine elektrische Glühbirne hing von der Decke und beleuchtete eine Vase aus gelbgrünem Alabaster; sie war zwei Fuß hoch und mit tiefköpfigen Götterbildern und Hieroglyphen verziert und trug einen halbrunden goldenen Deckel. Carnarvon war wie geblendet. Noch nie hatte er ein so wundervolles Stück gesehen.
    Mit hinterhältigem Grinsen, die Arme über der Brust verschränkt, beobachtete der Unbekannte Carnarvons gierige Blicke. »Na, habe ich Ihnen zuviel versprochen?« meinte er schließlich und nahm die Vase in beide Hände, um sie gegen das Licht zu halten. Da begann der Alabaster zu leuchten, als flackerte eine Flamme im Inneren des Gefäßes.
    »Dreihundert Pfund?« fragte der Lord unsicher, als fürchtete er, der Fremde habe den Preis inzwischen erhöht.
    Aber der nickte nur und sagte kein Wort.
    Hastig fingerte Carnarvon das Geld aus der Tasche und reichte es dem Mann.
    »Sie gehört Ihnen, Mylord«, sagte dieser und reichte ihm das kostbare Stück.
    Nur Sammler vom Schlage eines Lord Carnarvon mögen verstehen, was der Engländer in diesem Augenblick empfand. Stumm und ergriffen drückte er die Vase an sich wie ein Vater, der zum ersten Mal sein Kind in den Armen hält. Er war den Tränen nahe. Vor Aufregung konnte er nicht sprechen. Seine Rechte glitt zärtlich über den seidigen Alabaster.
    Carnarvon erschrak, als der Unbekannte von hinten an ihn herantrat. »Sie entschuldigen, Mylord, aber ich muß Ihnen jetzt wieder die Augen verbinden.«
    »Porchy« ließ es geschehen, ohne die kostbare Vase aus der Hand zu geben. So wurde er aus dem Haus geführt.
    Es war spät geworden, und auf den Straßen herrschte kaum Verkehr. Carnarvon interessierte sich auch nicht mehr für die Route, die die Kutsche nahm; ihm fiel nur auf, daß sie diesmal kaum halb so lange brauchte. Als der Wagen anhielt, nahm ihm der fremde Mann die Augenbinde ab und verabschiedete sich knapp.
    Carnarvon stieg aus, und die Kutsche preschte in nördlicher Richtung davon. Die kühle Nachtluft tat ihm gut. Um kein Aufsehen zu erregen, entledigte er sich seines Sakkos und wickelte die Vase darin ein. Dann betrat er das Hotel »Winter Palace«.
     
     
    Am nächsten Morgen schickte seine Lordschaft einen Boten nach Der-el-Bahari, Carter möge ihn dringend im »Winter Palace« aufsuchen. Irgendwie ahnte Howard nichts Gutes, als er sich auf den Weg machte hinüber nach Luxor. Er hatte »Lordy« – wie ihn die Arbeiter inzwischen nannten – seit fünf Tagen nicht gesehen, und die Abstände, in denen er bei den Grabungen auftauchte, wurden immer größer. Es schien, als habe Carnarvon die Lust verloren, in Der-el-Bahari weiterzugraben, und Howard legte sich während der Überfahrt auf dem Fährboot ein paar passende Worte zurecht, er möge durchhalten, wenigstens bis zum Herbst, wenn die Ausgrabungen im Tal der Könige begännen.
    Doch dann kam alles anders. Statt mißgelaunt empfing ihn der Lord heiter gestimmt, und es dauerte nicht lange, bis Howard den Grund seiner Gemütsverfassung erblickte. Carnarvon hatte die Vase auf einem Tisch vor dem Fenster seiner Hotelsuite aufgebaut, und die Morgensonne, die einen goldenen Strahl auf das kostbare Gefäß warf, verlieh

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