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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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knorrigen Bäume starrte, deren schwarze Silhouetten sich vom nachtblauen Himmel abhoben. Howard weinte, und als er es bemerkte, fragte er sich nach dem Grund. Es war wohl die Wut darüber, daß ein anderer ihm den Ruhm des Entdeckens stehlen wollte. Dabei war doch er, Howard Carter, der einzige, dem dieser Ruhm zustand.
    Von einem Augenblick auf den anderen wurde er von einer Art Fieber erfaßt, und begann zu phantasieren. Kolonnen von Arbeitern zogen an ihm vorbei, sie trugen Krüge und allerlei Kostbarkeiten, halbnackte Trommelschläger schlugen den Rhythmus, und Davis beobachtete die Szene unter einem Sonnenschirm in einem goldenen Sessel, den die Arbeiter zuvor aus einem Grab geholt hatten. Generös winkte er in die Menge, die ihm zujubelte wie einem Pharao. Sogar sich selbst erkannte Howard unter den Jublern, obwohl ihm eher danach zumute war, Davis umzubringen.
    Als er, aus diesem beklemmenden Alptraum erwacht, hochschreckte, beschlich ihn eine unerklärliche Angst. Er fühlte sich beobachtet. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Carter in die Dunkelheit, lauschte auf jedes Geräusch, schließlich hetzte er zurück zu der hell erleuchteten Terrasse, wo sein unvermutetes Auftauchen aus der Dunkelheit Verwunderung hervorrief.
    Du bist verrückt, sagte er zu sich, du bist auf dem besten Weg, den Verstand zu verlieren. Und alles nur wegen dieses gottverdammten Pharaos, den keiner kennt und von dem selbst kluge Leute behaupten, er habe nie existiert! Aber während er alle Kraft seines Verstandes aufbot, die Situation herunterzuspielen, sich einzureden, daß sein Leben nicht von der Entdeckung einer vertrockneten, unansehnlichen Mumie abhing, spürte er im selben Augenblick den Drang, sich diesem geheimnisvollen Wesen zu nähern. Allein von seinem Namen Tut-ench-Amun – Vollkommen an Leben ist Amun – ging eine magische Kraft aus, die er sich nicht erklären konnte. Stark, aber unsichtbar zog sie ihn an wie ein Magnet.
    Das Gespräch mit Weigall hatte Carter verstört. Er wollte Davis nicht mehr begegnen und stahl sich heimlich davon wie ein Taschendieb. Am Eingang zum Ballsaal lief er Lord Carnarvon in die Arme, der sich in Begleitung zweier Damen in festlichen Roben befand.
    »Mylord«, rief Carter im Vorbeigehen und mit todernster Miene, »morgen beginnen wir im Tal der Könige zu graben. Ich habe die Stimme des Pharaos gehört!«
    Die beiden Damen warfen Lord Carnarvon fragende Blicke zu. Der verzog die Mundwinkel nach unten und hob die Schultern. »Manchmal ist Mr. Carter etwas seltsam«, bemerkte er näselnd, »er lebt wohl schon zu lange in der Wüste.«
     
     
    Der nächste Morgen. Schwüle und diesiges Licht über dem Tal der Könige. Schon von weitem waren Staubwolken sichtbar. Eine Kette von dreihundert Männern, einer in Reichweite des anderen, beförderte Körbe von Schutt und Geröll talwärts. Vereinzelt sangen sie, aber was als Anfeuerung gedacht war, wirkte eher einschläfernd und monoton.
    Auf einem Sandhügel thronte Howard Carter in einem Sessel, über sich einen ockerfarbenen Sonnenschirm – so, wie ihm Davis am Abend zuvor im Wahn erschienen war. Mit einem Sprechtrichter brüllte er nach unten: »Tiefer, verdammt noch mal, Ihr sollt tiefer graben! Viel tiefer!«
    »Carter-Effendi!« rief Rais Ali Hussein aus dem Erdtrichter nach oben, »Carter-Effendi, wir sind bereits neun Meter tief. Der Sand ist so locker, daß die Wände jeden Moment einstürzen können. Meine Männer haben Frauen und Kinder zu Hause. Sie wollen nicht mehr. Es ist zu gefährlich.«
    »Tiefer habe ich gesagt, zum letzten Mal. Sag deinen Leuten, wer zu feige ist weiterzugraben, soll nach Hause gehen. Er soll aber nicht glauben, noch jemals Arbeit bei mir zu finden. Sage ihnen das!«
    Nach kurzer Diskussion machten die Arbeiter weiter. Verzweifelt wühlten sie sich in das Erdreich.
    »Wir gehen zehn Meter tief«, rief Carter wie besessen, »vorher verläßt mir keiner die Grube.«
    Als Lord Carnarvon gegen Mittag ins Tal der Könige kam, blieb er staunend vor dem gewaltigen Erdtrichter stehen, den Carter mit seinen Leuten ausgehoben hatte.
    »Warum sind Sie gestern so schnell verschwunden?« fragte er, während er mit den Augen das Erdreich nach irgendeiner Besonderheit absuchte.
    »Es war nicht mein Fest, sondern das des Kupfermagnaten Davis«, antwortete Carter kühl. »Warum sollte ich bis zum Ende ausharren?«
    Carnarvon vermochte Carters Anspielung nicht zu deuten, und er fragte: »Hat es Ihnen nicht gefallen? Man

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