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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ihm das Aussehen einer überirdischen Erscheinung.
    »Mylord!« rief Carter fassungslos und trat näher an das Gefäß heran, um es eingehend zu betrachten. Nach einer Weile fragte er: »Mylord, wie kommt das Stück in Ihren Besitz?«
    Carnarvon ging nicht weiter auf die Frage ein. Statt dessen meinte er: »Was ich von Ihnen wissen will, Mr. Carter: ist dieses Stück echt, oder bin ich einer Fälschung aufgesessen?«
    »Ob diese Vase echt ist?« Howard lachte gekünstelt. »Die Frage stellt sich bei einem Objekt wie diesem überhaupt nicht. Wer sollte eine solch vorzügliche Arbeit fälschen? Aber wissen Sie eigentlich, was Sie da erworben haben? Dies ist eines der ältesten Kunstwerke, das je von Menschenhand geschaffen wurde. Vermutlich stammt es aus der 1. Dynastie, ist also beinahe fünftausend Jahre alt. Mylord, dieses Stück ist unbezahlbar!«
    »Ich habe dreihundert Pfund bezahlt«, erwiderte der Lord hochnäsig. »Und nun frage ich mich, ob die Arbeit dort drüben am anderen Nilufer den Aufwand lohnt. Seit Jahren gebe ich ein Vielfaches aus, und was Sie bisher zutage gefördert haben, ist doch – Sie werden verzeihen – eher bescheiden. Verstehen Sie mich recht, Mr. Carter, diese Kritik ist nicht gegen Sie oder Ihre Arbeit gerichtet, aber mich läßt der Gedanke nicht los, ob Sie nicht Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten besser dazu einsetzen sollten, Stücke wie dieses auf dem schwarzen Markt zu erwerben. Das käme billiger, und Sie bräuchten sich nicht einmal Ihre Finger schmutzig zu machen.«
    Howard Carter wurde kreideweiß. Starr stand er da und brachte kein Wort hervor.
    »Ich wollte Sie nicht kränken«, bemerkte Carnarvon, als er sah, was er angerichtet hatte. »Natürlich würde ich Sie bezahlen wie bisher. Was halten Sie von meinem Vorschlag?«
    Carter schluckte. »Wo haben Sie das her?« stammelte er mit leiser Stimme.
    »Von einem Ägypter. Er nannte keinen Namen und tat sehr geheimnisvoll. Aber das ist unerheblich.«
    »Ganz und gar nicht!« rief Carter, und dabei überschlug sich seine Stimme. »Das Stück, das hier vor Ihnen steht, wurde nämlich vor einem Monat aus dem Museum in Kairo gestohlen und wird seither von der Polizei gesucht!«
    »Carter, Sie treiben Ihren Scherz mit mir!« stotterte der Lord.
    »Keineswegs.«
    »Und Sie sind sicher, daß es sich dabei um eben diese Vase handelt?«
    »Absolut sicher. Maspero äußerte die Befürchtung, das Objekt könnte für immer verloren sein. Er meinte, die Vase sei einfach zu bekannt, um einen Käufer zu finden. Nur ein Idiot würde das Risiko auf sich nehmen und eine größere Summe für dieses Stück hinlegen. Das sei so, als würde die Mona Lisa geklaut und auf dem schwarzen Markt zum Kaufangeboten. Sagte Maspero.«
    Lord Carnarvon trat an eine Anrichte, auf der Flaschen und Gläser standen. Er füllte ein Whiskyglas zur Hälfte und kippte den Inhalt in sich hinein. Dann brach er in ein lang andauerndes, abscheuliches Gelächter aus.
    »Ich will mich ja nicht aufdrängen«, sagte Carter, nachdem der Lord sich beruhigt hatte, »aber vielleicht sollten wir doch weitergraben, drüben, jenseits des Flusses.«
    Zwei Tage überlegte Lord Carnarvon, wie er der Situation begegnen sollte, ohne sein Gesicht zu verlieren. Dann schrieb er Gaston Maspero, dem Direktor der Altertümerverwaltung, einen Brief, er habe das kostbare Stück aus den Fängen geldgieriger Antikenschieber freigekauft.

K APITEL 23
     
     
     
    Mitte Mai, die Trauer über den Tod König Edward VII. hatte sich etwas gelegt, gab Theodore Davis im Luxor-Hotel ein großes Fest. In der Regel pflegten Ausgräber den Ort ihres Wirkens so still zu verlassen, wie sie gekommen waren, aber Davis war nun einmal mehr Abenteurer als Archäologe, vor allem war er ein reicher Amerikaner, der es liebte, im Mittelpunkt zu stehen, und deshalb übertraf das Fest, das er zum Abschied feierte, alles bisher Dagewesene.
    Der Ballsaal des Hotels war dekoriert mit ägyptischen Altertümern wie einst bei der Opernpremiere von Verdis »Aida« in Kairo, und kaum jemand vermochte zu erkennen, ob es sich hierbei um Originale oder Kopien handelte. Sphingen und lebensgroße Statuen wechselten mit Götterbildern und Reliefs an den Wänden, und eine spärlich bekleidete Damenkapelle spielte Tafelmusik, so wie es auf den Wandmalereien der Gräber jenseits des Nils zu sehen war.
    Theodore Davis hatte sich als Pharao verkleidet und trotz seines Alters in ein kurzes Gewand geworfen. Seine nackten Arme zierten goldene

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