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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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konnte vielen interessanten Leuten begegnen.«
    »Was interessieren mich fremde Leute«, entgegnete Howard unwillig und deutete in den tiefen Erdtrichter. »Der einzige Mensch, für den ich mich interessiere, liegt irgendwo dort unten vergraben, oder dort oder da, vielleicht auch irgendwo dahinten. Egal. Ich will und ich werde ihn finden.«
    Lord Carnarvon nahm seinen Hut ab und wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Wie viele solche Erdtrichter wollen Sie ausheben, Mr. Carter?«
    »Zehn, zwanzig, was weiß ich. So viele wie nötig sind, um Tut-ench-Amun zu finden.«
    »Und wenn Sie dann noch immer keine Spur gefunden haben, Mr. Carter?«
    Howard tat ein paar Schritte auf Carnarvon zu und rief aufgeregt: »Mylord, ich fühle es, er ist hier ganz in der Nähe. Spüren Sie nicht auch die Nähe des Pharaos?« Theatralisch breitete er die Arme aus, als wollte er fliegen, und dabei verlor er das Gleichgewicht. Strauchelnd trat Carter über den Rand des Kraters, und noch ehe er reagieren konnte, begann der Sand zu fließen, schnell und mit der Gewalt einer Lawine. Er schrie und ruderte mit den Armen wie ein Ertrinkender. Verzweifelt versuchte Howard den Absturz zu verhindern, aber die Wildheit seiner Bewegungen beschleunigte nur den Einsturz des Kraters. Er wurde wie von einem Strudel in die Tiefe gerissen. Für einen Augenblick sah er den Himmel, dann deckte ihn totale Finsternis zu. Er fühlte sich wie gelähmt, wie einbetoniert, und sein letzter klarer Gedanke war: Pharao, warum willst du mich töten?
    Der Panamahut markierte die Stelle, wo Howard in der Erde verschwunden war. Hektisch begannen der Rais und ein paar Arbeiter, die das Rauschen des einstürzenden Kraters angelockt hatte, zu graben. Mit Körben schaufelten sie den Sand zur Seite, und schon nach wenigen Minuten kam ein Arm zum Vorschein, gleich darauf Carters mit Sand verklebter Kopf. Ali Hussein beugte sich nieder und tätschelte Howards Wangen. »Carter-Effendi, Carter-Effendi!« rief er mit lauter Stimme. Und an die Arbeiter gewandt: »Wasser! Holt Wasser herbei!«
    Aus einem tönernen Krug kippte der Rais einen Schwall Wasser über Carters Gesicht. Die Männer hatten ihn bereits bis zur Hüfte aus dem Sand gewühlt. Benommen öffnete Howard die Augen und sagte leise: »Ich war ihm ganz nahe.«
    Carter nahm den Unfall, bei dem er wie durch ein Wunder ohne Verletzungen davonkam, keineswegs zum Anlaß, sorgfältiger vorzugehen. Schon am nächsten Tag öffnete er, keinen Steinwurf entfernt, einen neuen Krater, wiederum zehn Meter tief und wiederum ohne auf eine Spur des vergessenen Pharaos zu stoßen. Auch der folgende Tag verlief nicht anders, und auch der nicht, der auf diesen folgte.
    Nach drei Monaten Arbeit, als das Tal der Könige einer Kraterlandschaft glich, wie man sie auf dem Mond vermuten konnte, begannen die Arbeiter zu murren. Sie sahen keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit. Denn anders als alle Ausgräber vor ihm, wühlte Carter mit Vorliebe an jenen Stellen im Erdreich, welche anderen aussichtslos erschienen waren. Von Tag zu Tag wurde er verschlossener und schweigsamer. Kein gutes Wort kam aus seinem Mund. Arbeiter wurden reihenweise entlassen. Im Tal der Könige machten sich Haß und Mißgunst breit, Haß auf den rücksichtslosen Ausgräber, und die Mißgunst derer, die ihre Arbeit verloren – und neidisch auf jene waren, die gut verdienten.
    Im November, als es schnell und frühzeitig dunkelte, und als sich die Nächte fernab des Stadtlärms unerträglich in die Länge zogen, kehrte Howard eines Tages bei Einbruch der Dämmerung nach Dra abu el-Naga zurück, als ihm schon von weitem die dunkle Rauchsäule auffiel, die drohend zum Himmel aufstieg. Ungeduldig zerrte Carter an Sir Henrys Zügel, um seinen Trab zu beschleunigen. Kaum hatte er die Stelle erreicht, wo sich der unbefestigte Weg um eine vorgelagerte Sanddüne wand, stockte ihm der Atem. Sein Haus stand in Flammen. Beinahe schaurig schön loderten gelbe und rote Flammen aus dem Holzdach, die glühenden Balken ächzten, und Splitter schossen krachend zu Boden.
    Wie gebannt starrte Carter in die Flammen, wissend, daß jede Hilfe zu spät kam.
    Spink! schoß es durch sein Gehirn, und mit den Flammen wuchs seine Wut auf seinen Widersacher. Nur er konnte hinter dieser Teufelei stecken!
    Ruhig, beinahe gleichgültig ließ sich Howard auf dem Boden nieder und beobachtete das gespenstische Schauspiel. Was hast du schon zu verlieren, dachte er bei sich, und mit einem Schlag wurde

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