Der König von Luxor
geringsten Anzeichen von Schwäche die Summe von 50 000 Pfund vor Augen führen!« Dabei malte Keedick die Zahl 50 000 in die Luft.
Phyllis nickte zustimmend.
Im Hotelzimmer ließ sich Carter aufs Bett fallen und schloß die Augen. Hatte er es sich nicht immer gewünscht, berühmt zu sein? Und nun, da er sein Ziel erreicht hatte, war es ihm unbehaglich. Wie ein Fels lastete die Berühmtheit auf seiner Brust. Er atmete schwer und hatte das Gefühl zu ersticken. In dreißig Jahren hatte er die Einsamkeit kennen-, ja sogar liebengelernt, er hatte viele Jahre gebraucht, sie nicht zu fürchten und nicht zu hassen, und er war sogar soweit gekommen, süchtig zu werden nach Einsamkeit, weil sie Gefühle erzeugte, die nur dieser Zustand hervorbringt – ein rücksichtsloses Glück. In der Einsamkeit hatte Carter zu sich selbst gefunden. Aber nun hatte sich alles in kurzer Zeit ins Gegenteil verkehrt. In seinem Kopf lärmten Reporter mit ihren dummen, penetranten Fragen, Automobile knatterten an ihm vorbei, und Schiffssirenen heulten, als gelte es eine drohende Kollision zu verhindern. Im Tal der Könige, das ihm im Laufe der Jahre zur Heimat geworden war, konnte man aus einer halben Meile Entfernung einen Stein hören, der sich aus dem Fels löste und zu Boden kullerte. Über diesen Gedanken schlief er ein.
Lee Keedick kam mit den Abendzeitungen, die alle über Carters Ankunft in New York berichteten, um Howard und Phyllis abzuholen. Central Station lag nur vier Straßenzüge vom »Waldorf-Astoria« entfernt, und Carter bestand darauf, den Weg zu Fuß zurückzulegen.
London war gewiß keine Kleinstadt und konnte sich über mangelnden Automobilverkehr nicht beklagen, aber der Andrang in den Straßenschluchten New Yorks ließ keinen Vergleich zu. Die Automobile drängten sich reihenweise auf den Straßen, und Polizisten in strammen Uniformen waren nötig, um sie über die zahllosen Kreuzungen zu lotsen.
Anders als in Luxor, wo sich niemand über eine Zugverspätung aufregte, so sie nicht länger als eine halbe Stunde dauerte, fuhr der Zug in Central Station pünktlich auf die Minute ein, und die Pullman-Waggons hielten exakt an der vorgezeichneten Stelle. Keedick hatte ein plüschiges Abteil erster Klasse gebucht samt Salon mit holzgetäfelten Wänden, Porzellanwaschtisch und Schlafgelegenheit zu beiden Seiten. Der Pullmanzug sollte für Carter und Phyllis der häufigste Aufenthaltsort der nächsten Wochen werden.
K APITEL 33
Schon Carters erster Vortrag in Philadelphia ließ ahnen, daß die Tournee ein einziger Triumphzug werden würde. Tickets zum regulären Preis von fünf Dollar wurden für 25 Dollar gehandelt. Die Vorträge des Ausgräbers, die er mit Diapositiven ergänzte, wurden zum gesellschaftlichen Ereignis. Man trug Abendkleidung und große Garderobe, und Carter wechselte auf Anraten Keedicks zum Cut, der ihm neben Eleganz eine gewisse Unnahbarkeit verlieh.
Mit dicken Lidstrichen geschminkt wie Nofretete, erschienen einige Damen in langen, engen, zum Teil durchsichtigen Mumienkleidern mit Hieroglyphenbändern an Vorder- und Rückseite. Handtäschchen aus Bakelit waren Schatullen aus dem Grabschatz des Tut-ench-Amun nachempfunden. »Ägyptomania« hieß das Zauberwort, dem sich keiner entziehen konnte, denn Journale und Tageszeitungen waren voll davon.
Unerwartet souverän entledigte sich Carter seiner Aufgabe. Er sprach frei, sparte nicht mit kleinen Scherzen, die bei den Amerikanern besonders gut ankamen, und verstand es jeden Abend, seine Zuhörer in Bann zu schlagen, wenn er die Gefühle schilderte, die ihn beim Öffnen der Grabkammer befielen. Zeitungskritiker lobten seine Vortragskunst, und mehrfach bemerkten sie, Carter bewege sich bisweilen wie der große Schauspieler Charlie Chaplin.
Auf rührende Weise sorgte sich Phyllis um Howards Wohlbefinden, schirmte ihn vor zudringlichen Verehrerinnen ab, welche Bahnhöfe und Hotels belagerten, und hielt Lee Keedick in Schranken, der immer neue Zwischentermine einschieben wollte. Phyllis gab sogar Interviews über Carters Wohlbefinden, über sein Leben in Luxor, seine Vorlieben und Abneigungen, nur über ihr Verhältnis zu Carter schwieg sie beharrlich.
Natürlich griffen die Zeitungen das Thema auf und fragten in großen Buchstaben über noch größeren Bildern: Ist diese Frau Carters Managerin, seine Ehefrau oder Geliebte? Phyllis gefiel sich in ihrer rätselhaften Rolle.
Nicht selten kam es vor, daß Howard in einem Hotel erwachte und
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