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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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wenigstens frei bewegen, ich konnte tun und lassen, was ich wollte, und wurde von niemandem verfolgt und beobachtet. Ich beginne mich nach dieser Zeit zurückzusehnen. Aber das ist wohl der Preis des Ruhms…«
    »Du bist undankbar, Howard!« protestierte Phyllis, während sie den jubelnden Menschen zuwinkte. »Erinnerst du dich nicht mehr an die Zeit, als du deine jahrzehntelange Erfolglosigkeit beklagtest, wie du Carnarvon verflucht hast, weil er dir deine niedere Herkunft vorhielt, wie du alle Hoffnungen auf diese eine Entdeckung gesetzt hast? Und nun, da du alles erreicht hast, wo du überall wie ein König gefeiert wirst, beklagst du dich ebenfalls. Howard, was willst du eigentlich?«
    Carter blieb merkwürdig stumm.
    Eigentlich sollte Carter tags darauf dem Präsidenten der Vereinigten Staaten nur einen kurzen Besuch abstatten. Warren Harding war an Archäologie sehr interessiert. Doch der in Aussicht gestellte Kurzbesuch geriet unversehens zu einer Art Staatsempfang mit erlesenen Gästen. Sogar Keedick, den für gewöhnlich nichts aus der Ruhe bringen konnte, zeigte Anzeichen von Nervosität angesichts der illustren Gästeliste.
    Noch am Abend erschien ein englischstämmiger Schneider im Hotel, um Carter einen Frack anzupassen, ein Kleidungsstück, über das er bis dahin nicht verfügt hatte. Pünktlich zum festlichen Empfang im Ostflügel des Weißen Hauses wurde der Frack geliefert.
    Howard Carter machte keine schlechte Figur, zumal ein Frack gemeinhin jeden Mann gut kleidet. Phyllis trug ein türkisfarbenes Abendkleid aus Chiffon, das raffiniert an der rechten Hüfte gerafft war. Daß Keedicks Frack bereits viele gesellschaftliche Ereignisse hinter sich gebracht hatte, sei nur deshalb erwähnt, weil er an Revers und Ärmeln schon zu glänzen begann.
    Präsident Warren Harding war ein in jeder Beziehung unscheinbarer Mann, nur auffallend blaß und mit gekünstelten Umgangsformen. Was seinen Charakter betraf, so war Harding jedoch alles andere als farblos. Nicht wenige wußten, daß der Präsident neben seiner Frau Flo eine Geliebte hatte namens Nan Britton und mit dieser ein Kind. Aber darin unterschied er sich gar nicht allzusehr von manch anderen Gästen an diesem Abend: Man wahrte nach außen den Schein, lebte im übrigen aber ein ausschweifendes Leben wie noch nie in der Geschichte des Landes.
    »Howard, halt mich fest«, flüsterte Phyllis, als sie vor dem Eingang des Weißen Hauses dem schwarzen Panhard Twin Six entstiegen, den der Präsident geschickt hatte. Es war jenes Automobil, mit dem Harding als erster Präsident der Vereinigten Staaten zu seiner Amtseinführung gefahren war. »Halt mich fest, ich habe Hemmungen vor all den berühmten Leuten.«
    Carter war sich seiner Sache ebenfalls nicht ganz sicher, aber dann erinnerte er sich an die Worte seines Vaters, der auch mit Komplexen zu kämpfen hatte, wenn er mit vornehmen Ladys und Lords zusammentraf, um ihre Pferde und Jagdhunde zu malen, und Howard erwiderte: »Stell dir die Leute einfach als Skelett vor, durch das man hindurchschauen kann; dann verliert sogar der amerikanische Präsident an Größe.«
    Es wäre besser gewesen, Howard hätte Phyllis diesen Kunstgriff nicht verraten, zumindest nicht in dieser Situation, denn als der Präsident in Begleitung seiner Frau den beiden entgegentrat, begann Phyllis plötzlich zu kichern wie ein Schulmädchen, und Howard hatte alle Mühe, seine Begleiterin zu beruhigen.
    Das Begrüßungsdefilee geriet eher zwanglos, jedenfalls fehlte ihm jene Steifheit, die bei ähnlichen Anlässen in England üblich war. Dazu trug auch die Tatsache bei, daß einige Gäste sich selbst eingeladen hatten, weil ihr Einfluß in Amerika so groß war, daß ein schwächlicher Präsident wie Harding es sich einfach nicht erlauben konnte, ihnen diesen Wunsch abzuschlagen. Da war zum Beispiel Henry Ford, reich und mächtig, der sich mit dem Gedanken trug, als Präsidentschaftskandidat gegen Harding anzutreten.
    »Ford? Der große Ford?« fragte Carter ungläubig.
    »Was mein Automobil betrifft, so ist es eher klein«, erwiderte Ford. »Aber wenn Sie mich meinen, Mr. Carter, nehme ich das Kompliment gerne entgegen.«
    »Wissen Sie, daß mir ein Automobil mit Ihrem Namen am Kühler im Tal der Könige große Dienste geleistet hat, Mr. Ford?«
    »Ach ja, meine ›Tin Lizzie‹, sie ist einfach nicht totzukriegen. Es ist mir eine Ehre, Mr. Carter, Ihnen bei Ihrer großen Aufgabe behilflich gewesen zu sein.«
    »Mein Name ist Kennedy,

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