Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
gesellte sich eine rollende Bewegung, die das Gespräch zwischen Chaplin und Carter zum Erliegen brachte. Von mittschiffs näherte sich ein zierliches Mädchen in einem Schulmädchenkleid, keine sechzehn Jahre alt, wie es schien, aber äußerst attraktiv.
    »Charles, du solltest in deine Kabine gehen«, flötete die Kleine mit dünner Stimme, »du weißt, daß dir dieser Seegang nicht bekommt.«
    Chaplin bekam große Augen, und ohne auf das Mädchen einzugehen, wandte er sich an Carter: »Ist sie nicht reizend? – Lita, meine Frau. Nun ja«, korrigierte er sich, »verheiratet sind wir nicht. Aber so gut wie, Sie verstehen!«
    Howard nickte irritiert. Vielleicht, dachte er, war sie sogar erst vierzehn. Aber noch während er über das seltsame Verhältnis der beiden nachdachte, sprang Chaplin plötzlich auf, preßte die Hand vor den Mund und lief, gefolgt von dem Mädchen, in Richtung der Kabinen.
    Der Wind nahm zu, und in Sorge um Phyllis, die anfällig war gegen die Seekrankheit, begab er sich in seine Suite. Blaß und mit geschlossenen Augen lag Phyllis auf ihrem Bett, und wie alle, die dieser tückischen Krankheit anheimfallen, wollte sie sterben. Howard nahm ihre Hand, aber mehr als ein mühsames Lächeln bewirkte er nicht. Erst ein paar Tropfen eines braunen Medikaments, das der Kabinensteward verteilte, brachte Linderung.
    »Du hättest gestern keinen Alkohol trinken dürfen«, meinte Howard, als Phyllis wieder ansprechbar war.
    Phyllis nickte. »Entschuldige wegen gestern abend, aber ich liebe dich nun einmal.«
    Carter nickte verständnisvoll. »Eine ungute Situation, ich weiß. Laß uns nicht mehr darüber reden.«
    »Doch, Howard, bitte!«
    »Ein andermal, Phyllis, ein andermal.«
    Das große Festbankett im Ballsaal der »Berengaria« fiel dem Seegang zum Opfer. Gerade einmal zwei Dutzend seefester Passagiere fanden sich zu dem grandiosen Bankett ein. Noch beim Einlaufen in den Hafen von New York hatten die meisten Passagiere eine auffallend blasse Hautfarbe.
    Wie schon in Southampton hatte Lee Keedick alles bis ins kleinste geplant. In Funktelegrammen an alle großen Zeitungen hatte er die genaue Ankunftszeit der »Berengaria« angekündigt und mit der Besatzung des Schiffes vereinbart, daß Howard Carter und Phyllis als erste über die Gangway an Land gingen. Die Werbeagentur Simon & Simon war beauftragt, zehn Männer und Frauen mit Transparenten und Schildern mit der Aufschrift »Welcome King of Luxor« und »Howard Carter welcome to USA« zu postieren. Die Hafenkapelle, die jeden Ozeandampfer mit flotter Musik begrüßte, wartete mit dem »Tut-ench-Amun-Stomp« auf, den ein findiger Komponist komponiert hatte.
    Trotz der frühen Morgenstunde wimmelte der Pier von Menschen. Blutrot leuchteten die hohen Backsteinhäuser der Lower Eastside im Hintergrund. Vereinzelt sah man noch Lichtreklamen blinken. Es roch nach einer Mischung aus Seetang, Abwasser und Benzin. Fünfzig, hundert, vielleicht noch mehr Automobile bahnten sich knatternd und Abgaswolken in die seidige Morgenluft pustend den Weg zum Cunard-Pier. Zeitungsverkäufer und fliegende Händler drängten schreiend durch die Menge. Schiffssirenen heulten auf, Automobile hupten, Musikfetzen der Hafenkapelle: New York.
    Phyllis, in einem dezenten kurzen Kleid, das sie älter wirken ließ, nahm Carters Arm. Mit der Linken deutete sie hinab auf den Pier, wo die Claqueure ihre Transparente schwenkten und in Carter-Rufe ausbrachen.
    »Mein Gott!« Howard schüttelte den Kopf, als wollte er die Szene nicht wahrhaben. »Zwick mich irgendwohin, damit ich weiß, daß ich nicht träume. Wenn du mir das alles vor einem Jahr vorausgesagt hättest, hätte ich dich für verrückt erklärt.«
    Phyllis hatte Mühe, ihre Emotionen im Zaum zu halten. Sie klammerte sich an Howards Arm, daß es schmerzte, und lehnte ihren Kopf an seine Schulter: »Howard«, sagte sie leise, »ich bin so stolz auf dich.«
    Wie aus der Ferne vernahm Howard ihre Worte, und irgendwie erinnerten sie ihn an eine Begebenheit in seinem Leben, die weit zurücklag. Aber noch bevor er den Gedanken zu Ende gedacht, noch ehe er sich richtig erinnert hatte, flammten vom Kai her Blitzlichter auf. Es war nicht schwer, Howard an der Reling auszumachen.
    Von Keedick war Carter auf alles, was ihn erwartete, vorbereitet worden. Nichts würde ihn aus der Fassung bringen. Keedick schien überhaupt allwissend, er kannte sogar die Fragen, welche ihm die Zeitungs- und Radioreporter stellen würden, und natürlich

Weitere Kostenlose Bücher