Der König von Luxor
wußte er auch die passende Antwort.
Wie geplant wurden Howard und Phyllis, kaum war die Gangway herabgelassen, von vier Besatzungsmitgliedern in weißer Uniform zum Ausgang geleitet und mit militärischem Salut verabschiedet. Als sie auf die schwankende Gangway traten, brach Jubel aus. Hüte wurden in die Luft geworfen. Reporter balgten sich um die besten Plätze, und vom Oberdeck der »Berengaria«, deren tiefes Baßhorn über den Hafen hallte, flatterten Luftschlangen.
Am Pier wartete der amerikanische Direktor der Cunard-Linie mit einem riesigen Blumenstrauß, um den berühmten Gast und seine Frau willkommen zu heißen. Von den Reportern bestürmt, beantwortete Howard jene Fragen, die er schon kannte. Hilfesuchend wandte er sich manchmal zu Keedick um, den er stets in Reichweite wußte. Der drängte die Journalisten schließlich mit heftigen Bewegungen und dem Hinweis zurück, alle anstehenden Fragen würden von Mr. Carter in seinen Vorträgen beantwortet.
Ein paar Schritte entfernt wartete ein Packard Towncar, dessen Chauffeur im Freien saß und sie zum Hotel »Waldorf-Astoria« an der Park Avenue brachte. Hier bot sich das gleiche Bild wie bei der Ankunft im Hafen: In Zehnerreihen drängten sich Neugierige vor dem breiten Eingangsportal, Reporter richteten ihre großformatigen Kameras auf den berühmten Gast, mindestens ein halbes Dutzend Filmkameras hielten das Ereignis in lebendigen Bildern fest. Ohne Keedicks Hilfe dauerte es zwanzig Minuten, bis Howard und Phyllis sich durch die Halle bis zur Rezeption vorgearbeitet hatten.
Dort trat ihnen Lee Keedick mit strahlendem Lächeln entgegen. Seine großen Augen hinter den dicken Brillengläsern erschienen noch größer als gewöhnlich, und voll Stolz verkündete er: »Mr. Carter, ich habe gerade mit meinem Büro telefoniert. Die Tournee ist bis auf den letzten Platz ausverkauft. Wir werden nicht umhin kommen, einige zusätzliche Termine einzuschieben.«
Carter starrte den Agenten an, als habe der ihm soeben eine ganz unglaubliche Mitteilung gemacht.
Als Keedick Howards Verwirrtheit erkannte, puffte er ihn in die Seite und raunte ihm zu: »So begreifen Sie doch, das bedeutet in Ihrer Währung…« – er befeuchtete den Zeigefinger an den Lippen und rechnete halblaut auf einer unsichtbaren Tafel – »mindestens 50000 Pfund.«
»Fünfzig…?«
»Tausend!« bekräftigte Keedick. »Habe ich Ihnen zuviel versprochen? Jedenfalls kein schlechter Schnitt für vier Wochen Arbeit.«
Howard konnte es einfach nicht fassen. 50000 Pfund! Das war die Summe, die Lord Carnarvon für fünfzehn Jahre Grabungen im Tal der Könige aufgewendet hatte. Mit 50000 Pfund hatte er fünfzehn Jahre nicht nur ihn, sondern ganze ägyptische Dörfer ernährt. 50000 Pfund! Damit konnte er sich ein Stadthaus in Londons bester Lage leisten, in South Kensington oder Mayfair, mit einem Rolls-Royce vor der Türe samt Chauffeur, eine Villa in Luxor für die Wintermonate mit Dienerschaft, und dann blieb noch genug übrig, um ein geruhsames Leben zu führen.
»Mr. Carter!« Keedicks schneidende Stimme ließ ihn aus seinen Träumen erwachen. »Mr. Carter, Ihnen bleiben nur sechs Stunden Zeit, sich in Ihrer Suite etwas zu erholen. Um 18 Uhr 50 verläßt unser Zug Central Station in Richtung Philadelphia. Das Gepäck wird vom Hafen direkt zum Zug gebracht. New York steht erst am Ende der Tournee auf dem Programm. Die Carnegie Hall ist zweimal ausverkauft, ebenso die Brooklyn Academy of Music und das Metropolitan Museum. Aber dazwischen liegen noch Pittsburgh, Cleveland, Detroit, Toronto, Buffalo, Chicago, Cincinnati, Baltimore und Washington. Übrigens – der Präsident der Vereinigten Staaten, Warren Harding, bittet Sie zu einem Empfang ins Weiße Haus.«
Carter hielt den Blick starr in die Hotelhalle gerichtet. Er hatte Schwierigkeiten zu begreifen, daß Keedick zu ihm sprach, daß er nicht einen anderen meinte.
»Und wenn ich mich weigerte?« stammelte Carter tonlos und ohne Keedick anzusehen.
Keedick zögerte einen Augenblick.
Phyllis rief entsetzt: »Howard!«
Da lachte Lee Keedick breit und schüttelte seinen gedrungenen Körper, und an Phyllis gewandt meinte er: »Mr. Carter will uns angst machen, Ihr Engländer seid ja bekannt für euren sarkastischen Humor. Ich sage Ihnen eins, Mr. Carter, in den kommenden vier Wochen sollten Sie nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden, schlappzumachen. Die Tournee wird anstrengend, gewiß, aber ich empfehle Ihnen, daß Sie sich beim
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