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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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über sechzig Vorträge und Strapazen, wie er sie nicht erwartet hatte. Howard war erschöpft, leer, ausgebrannt, sehnte sich nach Ruhe und Schlaf; aber Keedicks Terminkalender war gnadenlos.
    »Hätte ich geahnt, welche Folgen die Entdeckung des Pharaos nach sich zieht«, sagte er vor seinem letzten Auftritt in der Carnegie Hall zu Phyllis, »ich hätte das Grab wieder zugeschüttet und das Geheimnis für mich behalten.«
    »Das glaube ich nicht«, erwiderte Phyllis lachend. »Erinnere dich, wie das war all die Jahre, als du nur den einen Wunsch hattest, Tut-ench-Amun zu finden. Du wolltest ein berühmter Ausgräber werden, jetzt bist du es, Howard, sogar der berühmteste der Welt. Also sei nicht unzufrieden. Jeder Erfolg hat seinen Preis.«
    Am Abend dasselbe Bild wie jeden Abend. Vor der Carnegie Hall, einem klotzigen braunen Gebäude mit florentinischen Anklängen, drängten sich Tausende von Menschen, um einen Blick auf den berühmten Entdecker zu erhaschen. Die 57. Straße war für den Verkehr gesperrt. Drückende Schwüle lag in den Häuserschluchten. Dreitausend Zuhörer in der Halle, die jeden Künstler adelt, dem die Ehre zuteil wird, dort aufzutreten, fächelten sich vergeblich etwas Kühle zu.
    Howard kam an diesem Abend nicht in Begleitung seiner hübschen Nichte, die bereits im Hotel die Koffer packte. Er wirkte nervös, verhaspelte sich schon bei seinen einleitenden Worten, stockte, setzte von neuem an und fuhr unkonzentriert fort. Das Publikum schrieb seine Zerstreutheit der Hitze zu und übte Nachsicht. Niemand ahnte das Drama, das sich während Carters Rede abspielte.
    Nachdem er wie jeden Abend von seinen Anfängen als Ausgräber berichtet hatte, während er Mühen und Entbehrungen schilderte, die seine ersten Jahre in Ägypten bestimmten, machte er in der ersten Reihe eine anmutige Dame aus, nicht mehr ganz jung, aber von einnehmendem Äußeren, ja von einem Ebenmaß der Erscheinung, das ihn gefangennahm. Verwirrt bohrte Carter seinen Blick in die Schöne, die, soweit er das im Gegenlicht der auf ihn gerichteten Scheinwerfer erkennen konnte, ein elegantes grünes Kostüm trug.
    Sarah!, schoß es durch seinen Kopf, Sarah Jones. Immer wieder hatte er in all den Jahren an sie gedacht. Die Zeit, beinahe eine Ewigkeit, hatte sie nicht aus seinem Gedächtnis gespült. Und plötzlich, beim Anblick der Unbekannten, war alles wieder gegenwärtig, seine erste Liebe, die ihn um den Verstand gebracht hatte, der Trennungsschmerz und die bittere Erfahrung, daß Sarah Jones ihn belogen hatte, als sie ihm eröffnete, Charles Chambers zu heiraten.
    Dreißig Jahre waren seitdem vergangen. Seit ihr Bild beim Brand seines armseligen Hauses ein Opfer der Flammen wurde, war ihr Aussehen in seiner Erinnerung allmählich verblaßt wie die Handschrift auf einem uralten Brief. Die Vorstellung, wie Sarah heute wohl aussehen würde, hatte ihn nie beschäftigt.
    Keedick, der bei jedem Auftritt Carters den äußersten linken Platz in der ersten Reihe einnahm und an manchen Tagen dabei auch einnickte, Keedick merkte zuerst, daß mit Howard etwas nicht stimmte. Unruhig registrierte er, daß sein Schützling schon nach wenigen Minuten von seinem Manuskript abwich, das er längst auswendig konnte, und statt dessen in seine Jugendzeit abschweifte und die Gründe erläuterte, die ihn dazu gebracht hatten, Ausgräber zu werden. Das war nicht uninteressant, im Gegenteil, Keedick, der diese Version seiner Rede zum ersten Mal hörte, fragte sich, warum Carter erst heute, am letzten Tag seiner Amerika-Tournee, darauf einging.
    Er sei in seine Lehrerin verliebt gewesen, erzählte er freimütig, und diese, die schönste Frau, die ihm je begegnet sei, habe ihm eines Tages eröffnet, sie werde einen Mann ihres Standes und ihres Alters heiraten. Dies habe er zum Anlaß genommen, England zu verlassen. Erst viele Jahre später habe er durch Zufall erfahren, daß seine Lehrerin die Hochzeit nur vorgetäuscht habe, damit er seine Chance ergreife und Archäologe werde. Vergeblich habe er nach dieser Frau gesucht und schließlich erfahren müssen, daß sie nach Amerika ausgewandert sei.
    In der Carnegie Hall wurde es still, so still, daß nur vereinzelt das Rascheln eines Taschentuchs zu hören war. Verstohlen wischten sich ein paar Damen eine Träne aus dem Augenwinkel. Auch Keedick rührten Howards Worte. Warum hatte dieser verdammte Carter das alles nicht schon früher erzählt?
    Unsicher, ob die Unbekannte in der ersten Reihe nur einer

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